Gartengeschichten
manchmal kriegte er freundliche Kulturschaffende dazu, sich unter den Weiden niederzulassen und was vorzulesen oder zu singen. Aus sicherer Entfernung schauten die Kapuzenjungs zu und grinsten. Sie warfen aber nicht mit Steinen, da jedenfalls noch nicht. Wahrscheinlich amüsierte es sie, arme Irre zu betrachten, die Musik ohne Verstärker machten. Da und dort zeigte sich auf der Insel die Handschrift des Gärtners doch. Die weiße Clematis an einem alten Pflaumenbaum ließ ihre Ranken baumeln wie auf einer japanischen Tuschzeichnung, an einer sandigen, sonnigen Stelle war plötzlich, wie über Nacht, ein Suckulenten- und Kaktusgarten entstanden, sogar eine Eidechse hatte sich offenbar überreden lassen, dort ein Gastspiel zu geben. Die Lokalpresse berichtete freundlich, das Inselprojekt schien auf einem guten Weg.
In Wirklichkeit überforderte es ihn vollkommen. In Wirklichkeit hatte er Angst vor den vormaligen Inselherrschern, denen die Zeit des Duldens wohl schon zu lang dauerte. Also Schluß mit dem nachsichtigen Amusement über diesen Deppen, der Tag und Nacht mit erdigen Händen über ihre Insel streifte und über jede Feuerstelle nölte. Er hatte wirklich eine etwas unangenehme Stimme, der Gärtner. Ein gleichmäßiges Beleidigtsein klang aus ihr, ein Nichteinverstandensein mit der Welt, quäkig und abstoßend. Seine wenigen Freundehatten sich daran gewöhnt, in seinen besseren Zeiten redete er sowieso nicht viel.
Er machte wahrscheinlich alles falsch. Ob man es überhaupt hätte richtig machen können mit der Insel, wer weiß das schon? So pflanzte und säte der Gärtner weiter planlos und verzagt vor sich hin, und die Ureinwohner gingen hin und trampelten die Beete wieder platt, zerhackten die Rankgerüste und machten Feuer, wo es ihnen gefiel. Kulturschaffende ließen sich kaum noch unter den Weiden blicken, es hieß, man würde dort mit Steinen beworfen, aber niemand wußte Genaues. Die Sache war wohl von Anfang an zu groß gewesen, und wenn Kommunen die Anlage eines Paradieses beschließen, tut sich nicht selten der Weg zur Hölle auf. Das Inselvolk, durch die ungelenken Erziehungsversuche verdrossen, wurde aggressiver. Der Gärtner hatte ihnen außer Klagen und Beleidigungen nichts entgegenzusetzen. Sie bestätigten seine Zerfallenheit mit der Welt, sein Unglück und seine Furcht. Am Ende war es so, daß er jedes zerstörte Beet, jeden abgerissenen Zweig und jede niedergetretene Blume mit grimmiger Befriedigung anschaute. Sie gaben ihm recht. Menschen waren Gärten nicht wert, so einfach ist das.
Als der Winter kam, verlor man den Gärtner aus den Augen. Das war zwar in jedem Jahr so gewesen, aber diesmal blieb es dabei. Es wurde ohne ihn Frühling, nirgendwo in der Stadt tauchten bunt blühende Baumscheiben oder schön inszenierte Betonkübel auf, es blieb bei den städtischen Stiefmütterchen. Über sie hatte er, der Verteidiger unterschätzter Pflanzen, nur Freundliches zu sagen gehabt. Wenn man nicht einfach die Farben nebeneinanderknalle, sondern sich der gelben, lila und braunen Palette in feinen Abstufungen bediene, wenn man niemals klein- und großblütige mische, wenn man sie dicht genug pflanze und nicht vor ihrerschönsten Blütenfülle schon herausreiße, wie es leider üblich sei, und wenn man ihnen noch den Sommer gönne, womit man allerdings Kopfschütteln riskiere – dann, ja, dann seien Stiefmütterchen ganz wundervolle Blumen.
All das sagte er nicht, denn er war und blieb verschwunden. Mit ihm Teile der Vasensammlung. Auch mußte leider bemerkt werden, daß die Gruppe seiner Gläubiger weit größer war, als jeder einzelne von ihnen geahnt hatte. Wirklich schmerzende Verluste wollte er wohl keinem zufügen, deswegen die breite Streuung.
Irgendwann hörte man von seinem Tod. Es wird im Garten Eden bestimmt eine vernachlässigte Ecke geben, allein für ihn.
Gefährliches Terrain
»Schlage die Trommel. Komm in den Garten. / Dein Blut klopft. Fürchte dich nicht.«
Ulla Hahn
Es ist immer wieder eine interessante Erfahrung, intellektuelle Gartengäste zu haben. Zunächst gilt es, Männer und Frauen auch in diesem Fall umsichtig zu unterscheiden. Intellektuelle Frauen, die sich nichts aus Gärten machen und ihre Geschlechtsgenossinnen, die es tun, ein wenig verachten, sollten grundsätzlich nicht durch Überzeugungsarbeit belästigt werden. Man suche ihnen einen schattigen Platz, an dem nichts kratzt, sticht, übers Gesicht wedelt oder aufdringlich riecht, versorge sie mit Getränken
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