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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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meisten fiel er auf die Nerven. Er versuchte sich in mancherlei Jobs, meinen Vorschlag, seine grünen Talente beruflich zu nutzen, lehnte er ab. Einem fremden Gartenherrn zu dienen wäre ihm unmöglich gewesen, und die industrialisierte Gartenwelt mit ihren gefärbten Primelmassen und moribunden Exoten war ihm ein Greuel. So arbeitete er ab und zu in einem Museum, malte seltsame Bilder und bepflanzte hier einen städtischenBetontrog und dort ein paar kahle Baumscheiben in der Innenstadt. Kenner wußten: Wenn man auf ein besonders bezauberndes oder überraschendes Arrangement mitten in der städtischen Öde traf, für die das Wort Straßenbegleitgrün – ein Amtsbegriff – gar nicht schöner hätte erfunden werden können, hatte er seine Hand im Spiel. Er konnte nicht anders, als sein schwieriges und nicht sehr glückliches Leben auf diese Weise zum Blühen zu bringen. Seine grauenhafte Vasensammlung hatte er in diversen Freundeskellern untergebracht, und er träumte vom Reichtum, den sie ihm bringen würde, wenn er sich zum Verkauf entschlösse. Mein Einwand, man könne die Sammlung einzig für einen Polterabend brauchen, kränkte ihn nicht.
    Irgendwo hatte er jetzt ein kleines Dachzimmer, aber es kam noch einmal ein Garten der besonderen Art auf ihn zu. Irgend jemand hatte von seinem Talent Wind bekommen, jemand, der bei der Stadt etwas zu sagen hatte. Und da gab es ja diese Insel, ein verwahrlostes Eiland mit einem alten Luftbad, einem Vogelbrutgebiet und mehr Brennesseln als Gänseblümchen. In unserer Stadt wird immer mal wieder etwas Vergessenes entdeckt, das jeder jederzeit hätte sehen können. Das wird dann diskutiert, ehrgeizige Instandsetzungs- und Nutzungspläne werden erstellt, und niemandem scheint klar zu sein, daß grade scheinbar vergessene Orte meist sehr intensiv genutzt werden. Allerdings auf eine Weise, die Stadtveredlern nicht unbedingt gefällt.
    Eigentlich war es keine schlechte Idee, das Inselprojekt unserem gartenlosen Gärtner anzuvertrauen. Man sah einen wie ihn wohl als willkommenen Mittler zwischen den ästhetischen Wünschen der Stadt und den Gewohnheiten jener, die sich die Insel schon seit langem unter den Nagel gerissen hatten und sie auf eine etwas wüste Weise nutzten.Hauptsächlich für Picknicks, bei denen Hammel gegrillt wurden, und für spontane Popkonzerte, die man an beiden Flußufern und bis weit in die Stadt hinein hören konnte.
    Ich habe ihn nie so aufgeregt und gesprächig erlebt wie in dieser Zeit. Was man ihm für seine Pionierarbeit bezahlte, weiß ich nicht, es war ihm wohl auch nicht wichtig. Zum erstenmal wartete ein großes Gelände auf seine Ideen und seine Arbeit, durch seine Inselexistenz von Natur aus umschlossen und gleichzeitig von beiden Seiten der Stadt sichtbar. Kraut und Rosen nannte er, was da entstehen sollte, und er stellte sich die Zähmung der Inselbenutzer durch Schönheit und die Kraft der gärtnerischen Kultur vor. Er wollte sie keineswegs vertreiben, die Jugendlichen mit den Kapuzenjacken und die Großfamilien, nur die Feuerstellen konzentrieren, damit die Insel nicht länger aussehen würde wie nach einem Brandbombenangriff.
    Wenn man sie ohne Menschen erlebte, früh an einem dunstigen Morgen zum Beispiel, zeigte sie ihren ganzen Zauber. Die Westspitze war von Tausenden Vögeln bewohnt, Enten, Tauchhühnchen, Schwäne, Möwen und verschiedene Gänsearten spielten Paradies. Die Reste des alten Luftbades in der Mitte hätten eine gute Filmkulisse abgegeben, und am Ufer hängten mächtige Weiden ihre Zweige in den Fluß. All das machte den Gärtner zum erstenmal in seinem Leben zaghaft. Er, der durch beengte und schwierige Terrains beflügelt worden war, konnte die Freiheit nicht genießen. Daß es sowieso keine war, keine echte jedenfalls, merkte er noch nicht. Wenn man ihn besuchte, zeigte er einem Möglichkeiten, beim nächsten Mal sprach er von anderen Möglichkeiten, und von den ersten war keine Rede mehr. Mal stolperte man über ein unmotiviert in eine Wiese gepflanztes Rosenbeet, oder es stand ein Rankbogen in der Gegend herum, ein Bild derRatlosigkeit. Bögen, durch die man von nirgendwo nach nirgendwo schaute.
    Man sieht nicht, wo es hinsoll, sagte ich. Wo war der geblieben, der aus Brachen Paradiese gemacht hatte?
    Es ist von allein schön, antwortete er, ich weiß nicht, wozu ich hier bin.
    Es kam aber doch ein ganz vielversprechender Sommer, die von ihm ausgesäten Wiesenblumen machten aus dem sumpfigen Rasen ein buntes Wunder, und

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