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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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Überdeutlich sah sie den Jungen mit den blicklosen Augen vor sich. Was hatte es zu bedeuten, dass er diese chinesischen Zeichen auf seinem T-Shirt trug? Und dass das Symbol des Todes größer war als das des Lebens? War das ein Zufall, oder hatte er eine Ahnung gehabt, dass sein Leben nur von kurzer Dauer sein würde?
    Das rote Licht ihres Anrufbeantworters blinkte. Sie drückte auf den Wiedergabeknopf.
    »Franca, ich weiß jetzt nicht, wie das hier geht …«
    Es überraschte sie, die Stimme ihrer Mutter zu hören. Sie hatte noch nie auf den Anrufbeantworter gesprochen und misstraute auch sonst jeglicher technischen Neuerung. Nie würde sie etwa auf die Idee kommen, ihre Tochter auf dem Handy anzurufen.
    »Franca, ruf mich unbedingt zurück. Es ist was … Ja, wie soll ich sagen … Bitte …« Dann brach das hilflose Gestammel ab. Es war noch ein zweiter Anruf aufgezeichnet, ebenfalls von ihrer Mutter. »Franca, du weißt doch, dass ich mit diesem Ding auf Kriegsfuß stehe … Ruf schnell an! Bitte!«
    Das klang ja ziemlich dramatisch. Aber um diese Zeit konnte sie ihre Mutter unmöglich noch anrufen. Sie hatte feste Angewohnheiten, die man als Tochter niemals ignorieren durfte. Sie ging sozusagen mit den Hühnern schlafen. Und sie stand mit ihnen auf. Wenn eines gewiss war, dann die Tatsache, dass ihre Mutter nach Mitternacht fest schlief.
    Ob sie sich wegen Georgina Sorgen machte? Sie hatte sich so sehr auf die Rückkehr ihrer Enkelin gefreut. Nun gut, Franca würde ihre Mutter morgen früh anrufen. Dann würde sie ja erfahren, was es so Wichtiges gab.
    Franca öffnete eine Dose mit Tomatensuppe, schüttete den Inhalt in einen Topf und stellte die Herdplatte an. Ein Tropfen Tabasco und ein Klecks Crème fraîche verfeinerten die Suppe, die sie unter Rühren erwärmte. So würde sie nicht ganz nach Dosenfutter schmecken. Dazu röstete sie zwei Scheiben Toastbrot.
    Als ihr Blick auf die blaue Dose fiel, die Georgina ihr mitgebracht hatte, wurde ihr ganz warm ums Herz. »Deine geliebten Baci«, hatte sie gesagt, als sie sie ihr beim Abschied in die Hand drückte. »Ich hab sie im Flughafen entdeckt und dachte, du freust dich drüber.«
    Und wie Franca sich gefreut hatte! Georgina hatte nicht vergessen, dass dieses Konfekt untrennbar mit der Kindheit ihrer Mutter verbunden war. So oft hatte Franca davon erzählt, dass es etwas ganz Besonderes gewesen war, im Delikatessenladen ihres Vaters in die blaue Dose mit den Silbersternen zu fassen, um sich eine der einzeln verpackten italienischen Schoko-Nuss-Pralinen herauszunehmen. Sie sah ihren Vater vor sich, wie er mit lächelnder Miene hinter der Theke stand, platzend vor Stolz auf seine kleine Bella Bimba, wie er Franca immer nannte. Wie schade, dass er seine Enkelin nicht mehr kennengelernt hatte. Sie war ebenfalls eine Bella Bimba, und die beiden hätten sich sicher hervorragend verstanden.
    Franca stellte den Fernseher an, weil sie es nicht mochte, allein und in der Stille zu essen. Nachrichten. Ein Sprecher präsentierte mit ernster Miene die Kriminalstatistik. Von den Jugendlichen mit deutschem Pass fiel jeder zehnte durch eine Straftat auf, unter den Ausländern war es jeder fünfte. »Wir wollen nicht stigmatisieren, aber wir müssen dieses Thema ernsthaft angehen«, bemerkte der Sprecher.
    Immer diese merkwürdigen Statistiken, dachte Franca. Und dann diese Besserwisser, die es schon immer gewusst und für alles eine Lösung parat hatten. Wo Menschen zusammenkamen, gab es Konflikte, die mehr oder weniger heftig ausgetragen wurden. Der Mensch ist einfach nicht dafür gemacht, friedlich mit seinesgleichen auszukommen. Und doch tun wir immer so, als ob der Friede die Normalität sei und nicht Krieg und Gewalt.
    Nach dem Essen gönnte sie sich noch ein Bacio als Betthupferl. Sie wickelte das sternenbedruckte Silberpapier auf und pulte vorsichtig das Spruchbändchen ab, mit dem jedes Schokoküsschen umwickelt war. Als sie das Konfekt in den Mund steckte, wähnte sie sich wieder in dem kleinen Laden im Koblenzer Entenpfuhl, und ihr Vater sagte mit seinem unverkennbar italienischen Akzent: »Francesca, ich sage dir deine Zukunft voraus.« Als Erstes las er den Spruch auf Italienisch, wobei sie aus seiner Mimik und der Art, wie er ihn vortrug, erkennen konnte, was er davon hielt. »L’amore è come la luna; se non cresce, cala.« Über sein Gesicht ging ein Strahlen, als er mit seiner brummigen Stimme ausrief: »Oh, das ist wahr, meine kleine Francesca, das ist sehr

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