Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
es wieder unter das bedruckte Papier, das sich diesmal sofort entzündete. Nach einer kleinen Weile legte sie ein paar Holzscheite auf die Flammen, die nach und nach Feuer fingen. Der Widerschein der Flammen spiegelte sich in dem Kaminbesteck aus goldfarbenem Messing, das in einer Halterung vor dem Kachelofen stand. Schnell schloss sie die Ofentür.
Der Kachelofen war der lang gehegte Wunsch ihres Mannes gewesen. Eine mächtige, braune Heizquelle, die das ganze Haus wärmte.
In Pantinen schlurfte sie hinaus in den Garten. Die Beleuchtung der Straßenlampe tauchte die frühmorgendliche Umgebung in ein fahles Licht. Flüchtig streifte ihr Blick den ehemaligen Gartenteich, der zugeschüttet worden war, nachdem ihre Enkelin als Kleinkind fast darin ertrunken wäre, und auf dem seitdem das Unkraut wucherte.
Man müsste sich viel mehr um alles kümmern, um das Haus, um den Garten. Doch sie war zu alt und zu müde dafür. Viel zu müde. Sie ging den kurzen Weg über die Wiese am Haselnussstrauch vorbei in den Schuppen, in dem das Brennholz lagerte. Im Schuppen stand ein rotes Auto, auf dem eine dicke Staubschicht lag. Auch das Auto hätte sie längst wegschaffen sollen. Sicher gab es Liebhaber für so was. Aber es bedeutete Mühe. Man musste eine Anzeige aufgeben. Man musste sich kümmern.
Sie stapelte Brennholz in den Korb und schloss die Tür hinter sich. Eine Weile stand sie da, hing ihren Gedanken nach und vergaß dabei ihren schmerzenden Körper. Erst als sie die Kälte spürte, die durch die dünnen Sohlen ihrer Pantinen drang, schleppte sie sich mit dem Korb voll Holz zurück ins Haus.
14
Sie sieht spitze, weiße Felsen, an denen die Wellen sprühend aufschlagen. Wind streichelt ihre Haut und singt ihr ein Lied. Oder ist es doch nicht der Wind, der singt, sondern eine menschliche Stimme? Und ist es nicht auch eine menschliche Hand auf ihrer Haut?
Da sind blauer Himmel und Strand, im Wasser schwimmende Sonnenstrahlen und lachende Menschen. Sie liegt auf einer bunten Decke im Sand. Und neben ihr eine Frau im Badeanzug. Die Frau lacht und sagt etwas, das sie nicht verstehen kann.
Traumwelt und Wirklichkeit überlagern sich. Tag und Nacht, Hell und Dunkel, weiße Felsen, blaues Meer und blauer Himmel, alles fließt ineinander über und löst ein irritierendes Gefühl in ihr aus.
Plötzlich springt die Frau im Badeanzug auf und steuert auf das Wasser zu. Ihre Schritte hinterlassen Fußabdrücke im Sand. Immer kleiner wird ihre Gestalt. Sie läuft geradewegs in das Wasser hinein, weiter und weiter, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen ist.
Mama! Du darfst nicht weggehen!
Ein verzweifelter Schrei, der sich mit dem Wehen des Windes und dem Aufschlagen der Wellen an den Felsen vermischt.
Das Klingeln des Weckers katapultierte sie unsanft aus ihren Träumen. Davina schlug die Augen auf. Ihr Herz klopfte. Da war etwas ganz Wichtiges gewesen. Sie versuchte, dem Geträumten nachzulauschen und eine Botschaft aus den widersprüchlichen Signalen zu entziffern, an die sie sich nur vage erinnern konnte.
Die Frau im Badeanzug war ihre Mutter gewesen, daran gab es keinen Zweifel. Der Ort, an dem sie sich befunden hatte, ein Ort mit Sandstrand und Kreidefelsen, könnte Rügen gewesen sein. Die Insel, von der sie schwärmte und wohin sie zusammen mit Davina verreisen wollte.
War das ein Omen? Eine Botschaft, die besagte, dass ihre Mutter auf Rügen lebte?
Davina stand auf, ging ins Bad und wusch sich. Aus dem Spiegel sah ihr ein blasses Gesicht entgegen. Sie wunderte sich immer wieder, wie fremd sie sich ohne Schminke vorkam. Das fransig geschnittene, schwarz gefärbte Haar fiel ihr auf die Schultern.
Sie stellte sich unter die Dusche, trocknete sich ab und verrichtete die üblichen Handgriffe. Föhnte sich die Haare trocken, verrieb reichlich Make-up im Gesicht und malte schwarzen Kajalstift um die Augen. Blaue Augen. Ob die ein Vermächtnis ihres Vaters waren? Ihre Mutter und deren Mutter hatten braune Augen. Schon so oft hatte sie sich gefragt, wie ihr Vater wohl aussehen würde. Ob er ihr noch mehr vererbt hatte als diese Augenfarbe, von der Mario behauptet hatte, sie wirke geheimnisvoll. Besonders, wenn sie sie mit Kajalstift umrandete.
So gefiel sie sich schon besser. Die Haare mit Gel noch in Form gebracht, dann war sie zufrieden. Aus ihrem Zimmer holte sie die fertig gepackte Schultasche und ging nach unten. Am Ende der Treppe stellte sich ihr Großmutter in ihrem zerschlissenen rosa Morgenrock in den
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