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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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Fallen waren zwei Gartenschläfer gleichzeitig gefangen, die einen erbitterten Kampf geführt haben mussten. Etliche Biss- und Blutspuren zeugten davon. Sie war entsetzt gewesen über diesen Anblick. Einer der Bilche lag leblos am Boden, während der zweite wie eine kleine Furie im engen Käfig hin und her rannte, über seinen toten Artgenossen hinweg.
    Was hat es für einen Sinn, wenn der Mensch diese Tierart schützt und sie sich gegenseitig Kannibalen sind?, schoss es ihr durch den Kopf. Dennoch hatte sie sich die Mühe gemacht, jeden gefangenen Gartenschläfer in seiner Falle weit wegzutragen und ihn irgendwo freizulassen. Am besten auf der anderen Seite des Rheins. Nur dann konnte man einigermaßen sicher sein, dass sie den Weg zurück nicht mehr finden würden. Eine Zeit lang war tatsächlich Ruhe gewesen. Doch bald begann es erneut auf dem Dachboden zu rumoren. Die Bilche kamen wieder. Sie schlüpften durch schmale Löcher und Schlitze, die sie mit untrüglicher Sicherheit fanden. In einem alten Haus wie dem ihren gab es unzählige Einschlupfmöglichkeiten für die wendigen und flinken Tierchen, die ihr die Nachtruhe raubten.
    Mit einem Mal überfiel sie eine Ahnung. Dass die Gartenschläfer eine Mahnung sein könnten. Dass das alles kein Zufall war. Dass ein System dahintersteckte.
    Es waren ja nicht nur die Bilche. Längst hatte sie begriffen, dass überall in diesem Haus Geister wohnten, deren Stimmen nachts zu ihr drangen, wenn sie nicht schlafen konnte. Wenn sie wach lag und ihren Gedanken nachgrübelte. Wenn aus allen Ecken und Winkeln Stimmen drangen und Dinge raunten, die sie nicht hören wollte. Töne, die sich wellenartig in ihrem Kopf bewegten und dort mit einer schemenhaften Erinnerung verschmolzen.
    Nein, nicht schon wieder!
    Ihre Zunge klebte in der Mundhöhle fest. Ihr Körper kribbelte. Sie fuhr sich über die welke Haut unter dem Flanellnachthemd, die sich wie taub anfühlte. Trotz der dicken Federdecke zitterte sie. Etwas rieselte durch ihren Körper. Ein Gefühl wie Eisregen. Spinnenfinger krallten nach ihrer Brust, griffen in ihr Herz. Sie hörte ihren Atem, heftig und keuchend.
    Da war ein Schrei, der in einem Jammern verebbte. Sie zuckte zusammen, hielt sich, einem Impuls gehorchend, die Ohren zu. Auf einmal realisierte sie erschrocken, dass die verzweifelten Schreie aus ihrem Inneren kamen. Sie selbst war es, die jammerte und schrie.
    Entsetzen machte sich in ihr breit.
    Sie musste aufpassen, dass sie nicht verrückt wurde. Als verrückte Alte zu enden, die Selbstgespräche führte und die ihr Leben nicht mehr im Griff hatte, war eine unerträgliche Vorstellung.

12
    Müde schlurfte Franca die Treppenstufen hoch, schloss die Wohnungstür auf und rief: »Farinelli. Ich bin da!«
    Kein dunkles Huschen durch die Wohnung. Kein warmes Fell, das sich an ihren Beinen rieb. Manchmal gebärdeten sich Kater wie enttäuschte Liebhaber und zeigten allzu deutlich, dass sie beleidigt waren, weil man sich nicht ausreichend um sie kümmerte. Dann halfen nur noch weibliche Tricks. Bei Katern ebenso wie bei Männern.
    »Farinelli«, lockte sie schmeichelnd. »Nun komm, sei nicht beleidigt. Ich bin ja jetzt da. Komm, mein Süßer.«
    Sie streifte die Schuhe ab, hängte ihre Jacke an den Haken in der Garderobe und ging ins Wohnzimmer. Farinelli lag zusammengerollt auf seinem Platz auf dem Sofa und tat so, als ob er schliefe.
    »Mir kannst du nichts vormachen!«, sagte sie laut und ging in die Küche. Ihr Magen rumorte. Eine Kleinigkeit musste sie noch essen, dann wollte sie sofort ins Bett. Sie war hundemüde. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es weit nach Mitternacht war.
    Als sie den Kühlschrank öffnete, sah sie die vielen leckeren Dinge, die sich da stapelten – gekauft für Georginas Rückkehr. Sie hatte vorgehabt, ihre Tochter zu bekochen. Liebe ging durch den Magen. Das war eines der Sprichwörter, das sich immer wieder bewahrheitete.
    Doch ob sie in nächster Zeit dazu kommen würde, die leckeren Sachen zuzubereiten? Jetzt, da sie mitten in einem komplizierten Fall steckten und noch kaum Anhaltspunkte hatten.
    Sofort war das Bild des Jungen wieder da. Sie hätte sich so sehr gewünscht, den Fall hinter sich lassen zu können, draußen vor ihren eigenen vier Wänden. Doch schon oft hatte sie gemerkt, dass sie das nur schwer fertigbrachte. Der Fall, der nie einfach nur ein Fall war, sondern immer eine menschliche Tragödie, begleitete sie, war bei ihr, ließ sich nur schwer beiseiteschieben.

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