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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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Todesfälle innerhalb kurzer Zeit in einer Kleinstadt mit dreißigtausend Einwohnern – das gab zu denken. Zumal sich Mario Reschkamp und Lilly Prekow gekannt hatten. Doch wie gut sie sich gekannt hatten, lag im Dunkeln.
    »Vielleicht hätten wir ja doch was für sie tun können …« Franca brach ab.
    »Sie war ein Junkie«, antwortete Oliver lakonisch.
    »Ja, und?« Sie sah ihn durchdringend an. »Was willst du damit sagen? Dass wir uns mit denen nicht zu beschäftigen brauchen?«
    »Ich will damit sagen, dass das ein Problem ist, dem wir Herr zu werden versuchen, aber bei dem wir immer wieder an unsere Grenzen stoßen.«
    Franca nickte nachdenklich. »Glaubst du an einen Zusammenhang?«, fragte sie nach einer Weile.
    Oliver hob die Achseln. »Wir sind genauso schlau wie ihr«, meinte er. »Dass Mario Lillys Stammdealer war, daran gibt’s wohl kaum einen Zweifel. Und auch nicht daran, dass der neue Dealer ihr reineren Stoff vertickt hat als den, den sie gewohnt war. Du kannst dir aussuchen, ob sie sich das Zeug bewusst in die Vene gejagt hat oder nicht.« Kurzes Seufzen. »Tja, so ist das. Da werden wohl manche Fragen offen bleiben.«
    Francas Blick wanderte an der Bruchsteinmauer entlang bis hin zu Lillys Sterbeort. Was empfindet ein Mensch in dem Moment, wenn er stirbt? Diese Frage hatte sie sich schon oft gestellt. Vielleicht hatte Lilly gar nicht gemerkt, dass sie starb. Vielleicht war es ein seliges Hinübergleiten von einer Welt in die andere. Wer konnte das schon sagen? Sie lief ein paar Schritte in Richtung des Flusses.
    »Das ist übrigens Siegfried, der Bewacher des Rheins«, sagte Oliver, der ihren Schritten gefolgt war. Er zeigte auf eine etwa vier Meter hohe Steinfigur direkt vor dem Bollwerk. Franca blickte hoch. Der Nibelungenheld, dessen Fuß auf einem Drachenkopf stand, hielt ein Schwert in der Hand. Darunter waren die Worte ›Seid einig‹ eingraviert.
    Welch frommer Wunsch.
    »Du kannst dir das Bollwerk auch von oben ansehen«, sagte Oliver. »Wenn du schon mal hier bist.«
    Er war bereits vorausgelaufen. Sie schritt hinter ihm her auf dem kleinen Zufahrtsweg, der hinauf zu der Rotunde aus dunkler Basaltlava führte. Oben schob er einen Flügel des schmiedeeisernen Tors auf und drehte sich zu ihr um.
    »Vorsicht! Nicht auf den Sensenmann treten. Das könnte ein schlechtes Omen sein.« Oliver zeigte auf den Boden. Erst beim näheren Betrachten erkannte Franca ein flaches Figurenrelief auf dem Boden. Der Tod als Knochengestell in verschiedenen Ausführungen. Auf einer der Darstellungen trug das Skelett eine Sense in der Hand.
    »Es ist eine Symbolisierung der Apokalypse«, erklärte Oliver.
    Ringsum in das Mauerwerk waren Tafeln mit zahlreichen Namen eingelassen. Das Bollwerk erinnerte nicht nur an den im Mittelalter zu entrichtenden Rhein-Zoll, es war gleichzeitig Gedenkstätte für die Gefallenen der beiden Weltkriege.
    »Das alles hier soll keine nationalen Gefühle wecken, sondern auf ein Menschheitsproblem an sich hinweisen«, sagte Oliver. »Siehst du die vielen eingemeißelten Risse und Kerben in den Steinen? Das sind Sinnbilder für Verletzungen und Narben.«
    Franca sah ihn erstaunt an. Solche tiefgründigen Gedanken hätte sie dem manchmal etwas oberflächlich wirkenden jungen Mann an ihrer Seite gar nicht zugetraut. Sie näherte sich einem der steinernen Rundbögen, durch den man Siegfrieds Kopf mit gemeißelten Löckchen und die Rückenpartie sah. Eine Möwe flog schreiend davon. Franca hob den Blick und folgte ihr mit den Augen. Ihre Flügel blitzten in der Sonne. Das Tuckern zweier Lastkähne war zu hören, die aneinander vorbeifuhren. Einer, der rheinaufwärts fuhr, war voll beladen. Der andere war leer. Hinter sich her zogen sie jeweils eine weiße Spur und bewegten das Wasser. Heftige Wellen schlugen an das Ufer. Der Rhein leuchtete gläsern blau. Den Rheinuferweg säumten Platanen, die mit ihren dünnen, in die Luft stechenden Zweigen wie Trolle aussahen. Wesen aus einer Geisterwelt, die sich bewegten, schaute man nur lange genug hin.
    »Warum hat Lilly sich gerade diesen Platz hier ausgesucht?«, fragte Franca. »Ob sie das bewusst gemacht hat?«
    »Wer weiß das schon?« Oliver zuckte die Achseln. »Ich habe mir schon oft versucht vorzustellen, wie es wohl sein mag, wenn man an der Nadel hängt und nur noch im Sinn hat, wie man den nächsten Schuss organisiert. – Wahrscheinlich ist es müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich meine, es ist besser, die Dinge nicht

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