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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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war zerwühlt. Am Kopfende lag ein Stofftier, ein kleiner Hund mit abgewetztem Fell und nur noch einem Glasauge.
    Neben dem Bett standen ein Schreibtisch und ein Regal mit vielen Büchern. Über dem Schreibtisch hing ein Katzenkalender. Ein putziges Tigerkätzchen balancierte vorsichtig auf einem Ast. Die schrägen Wände über dem Bett schmückten Poster. Junge Frauen in kecken Posen. Wahrscheinlich irgendwelche Filmsternchen oder Mädchenbands.
    Etwas erregte Francas Aufmerksamkeit. Etwas, das sich merkwürdig in diesem Zimmer ausnahm. Es war ein kleiner Altar. Auf einem schwarzen Tuch mit eingewebtem Pentagramm stand ein gerahmtes Foto, eine Porträtaufnahme von Patricia Kayner. Rechts und links davon halb heruntergebrannte Kerzen in hohen Leuchtern sowie ein mit Sand und Asche gefülltes Gefäß. Auf dem Tuch lag ein silberfarbenes Amulett, das an die Form einer Fledermaus erinnerte.
    »Hat sich Ihre Enkelin mit Okkultismus beschäftigt?«, fragte Franca.
    »Um Gottes willen«, sagte die alte Frau und fasste sich ans Herz, »was ist das denn? Ich hab das hier noch nie gesehen.«

7
    Die Polizistin war weg. Wie dunkel und düster das Haus auf einmal wirkte. Sie schaltete das Licht ein, doch es konnte nicht die Bilder vertreiben, die mit einem Mal lebendig wurden. Schatten und Schemen liefen ruhelos durch ihren Kopf wie aufgeschreckte Gartenschläfer.
    Sie brauchte sich nichts vorzumachen: Es würde niemals aufhören.
    Ihre Atemstöße klangen wie Seufzer. Sie fasste sich ans heftig klopfende Herz. Es war nicht nur das Gespräch mit der Polizistin, das die Wunde aufgebrochen hatte, über die eine dünne Kruste gewachsen war. Eine Kruste, unter der beim kleinsten Schaben bereits Eiter hervorbrach.
    Warum war sie nur so dünnhäutig geworden? War es das Alter? Wurde man mit zunehmendem Alter empfindlicher?
    Ihre schmerzende Brust hob und senkte sich.
    Sie hielt es im Haus nicht länger aus. Ohne etwas überzuziehen und mit Pantinen an den Füßen ging sie hinaus in den verdorrten Garten. Das Gras war nass. Über dem zugeschütteten Fischteich wuchs Unkraut, das niemand mehr jätete. Sie blieb stehen, blickte in die Zweige des üppig wuchernden Haselnussstrauchs, an dem bereits die Blütenkätzchen hingen, und faltete die Hände. Sie spürte, wie die Kälte ihre Beine hochkroch, immer höher hinauf. Eine Kälte, die ihr Herz und ihr Hirn durchdrang und die sich in jeder Zelle ihres Körpers ausbreitete.
    Eine Hülle aus Eis. So fühlte sich ihr Körper an. Jedes Wärmegefühl war aus ihm gewichen. Ihr Blick irrte umher. Hinter dem staubblinden Fenster des Schuppens leuchtete es rot wie zum Hohn. Sie hätte das Auto längst wegschaffen lassen sollen. Wieso ließ sie zu, dass die Vergangenheit derart überhand nahm?
    Sie hob den Kopf und sah nach oben in den grauen Himmel. Obwohl sie wusste, dass von dort keine Antworten auf ihre verzweifelten Fragen zu erwarten waren.
    Was bedeutet unser Leben, und wer hat uns zu dem gemacht, was wir sind?
    War es falsch gewesen, in ihrem damaligen hohen Alter noch ein Kind zu bekommen? Hatte sie nicht ihr Kind geliebt, so wie jede Mutter ihr Kind liebt?
    Wann hatte der undurchdringliche Panzer, mit dem Patricia sich umgab, zu wachsen begonnen? War es mit dreizehn? Oder mit zwölf? Oder noch viel früher, ohne dass sie den Übergang bemerkt hätte?
    Zu welchem Zeitpunkt war das Band zerrissen, das sie beide zusammengehalten hatte? Hätte sie etwas daran ändern können?
    Wie lange sind Kinder unschuldig? Wann ist diese Unschuld zu Ende, weil an deren Stelle Berechnung tritt? Eiskalte Berechnung, die Mitmenschen zu Spielern degradiert. Zu Statisten in einem inszenierten Lebensdrama.
    Welche Entscheidungen sind richtig und welche falsch?
    Wie schafft man das, Tag für Tag die Stunden zu überstehen und einfach weiterzuleben, ohne verrückt zu werden?
    Warum sind Töchter so?
    Warum sind Enkel so?
    Warum setzt sich alles fort?
    Sag es mir.

8
    »Hier haben wir sie gefunden.« Oliver Reimers deutete auf eine Mauerecke aus Bruchstein, vor der das Gras niedergedrückt war. Sie standen unterhalb des Bollwerks, einem mittelalterlichen Rundbau am Rhein.
    Franca wandte sich um. Ein schwacher fischiger Geruch stieg vom Fluss auf. In regelmäßigen Abständen fuhren Autos auf der Uferstraße vorbei. Auf der gegenüberliegenden Seite lag das Krankenhaus. Etwas weiter oberhalb befand sich der Schlossgarten, in dem vor wenigen Tagen Mario Reschkamp getötet worden war. Zwei nicht natürliche

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