Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Mord zuzutrauen?
Vielleicht hatte sie in Mario ihre große Liebe gesehen. Und als sie herausfand, dass es neben ihr noch andere Freundinnen gab, hatte sie zugestochen. Immer wieder. Weil sie nicht noch einmal den Verlust eines geliebten Menschen verkraftet hätte.
Mario war arglos, hatte Irene Seiler gesagt. Es gab kaum Abwehrspuren, er hatte nicht damit gerechnet, dass ihm jemand etwas antun will.
»Denkst du, was ich denke?«, fragte Oliver.
9
Es ist warm. Auf dem kleinen Teich hinterm Haus tanzen Sonnenkringel. Schilf wächst darin und eine Seerose, die ihre Blüte geöffnet hat. Unter der Wasseroberfläche schimmert es rotgolden, das kommt von den Goldfischen. Der Teich hat eine magische Anziehungskraft auf das Kind. Es setzt sich an den Rand und taucht einen nackten Zeh in das Wasser. Es beugt sich ein klein wenig nach vorn. Sein Spiegelbild lacht ihm entgegen, ein Kindergesicht mit dunklen Haaren, verzerrt durch kleine Wellen und flirrendes Licht. Es will das Gesicht streicheln und taucht die Hand ins Wasser. Die Wasserfläche teilt sich und zerstört das Gesicht, in Bruchstücken schwimmt es auf der welligen Fläche. Als das Kind die Hand wieder herauszieht, zittern Wasserperlen an seinen Fingerspitzen, und das Gesicht fügt sich langsam wieder zu einem Ganzen zusammen. Nun will es wissen, was sich unter der glitzernden Oberfläche befindet. Diese geheime Welt erkunden, die es noch nicht kennt. Wasser weiß zu reden , raunt eine warme, vertraute Stimme von irgendwoher. Die Welle nimmt die Welle an der Hand . Das Kind lässt seinen schmalen Körper in das Wasser gleiten, das sich warm und weich anfühlt wie sein Bettchen, wenn es am Morgen erwacht. Das Wasser erreicht den Bauch, die Schultern, den Hals. Wohlige Schauer lassen es zusammenzucken. Immer tiefer sinkt es hinein, die Augen weit geöffnet. Es fühlt sich schwerelos. Interessant ist es dort unten. Und schön. Leise. Da ist ein Flüstern und Summen. Die Bewegungen des Kindes sind fließend. Es fühlt sich geschützt. Es ist in vollkommener Harmonie mit dem Element. Ist eine Nixe. Ein Fisch.
Plötzlich spürt es einen harten Ruck. Es wird emporgezogen. Zurück in die laute Welt. Da ist ein Schreien und Rufen. Ein Stimmengewirr. Viel zu laut und ganz anders als dort unten unter dem Wasser, wo es so schön still war.
»Ein paar Minuten später, und sie wäre tot gewesen«, sagt eine Stimme, die abebbt und wiederkehrt. Wie eine Meereswelle.
10
»Ich will sofort das Ergebnis wissen«, sagte Franca.
»Kriegst du. Vorgestern, wie üblich.« Frankenstein grinste breit. Noch immer hatte sie sich nicht an sein neues, blendend weißes Gebiss gewöhnt.
Er hob den Asservatenbeutel mit der beidseitig geschliffenen Athame hoch und betrachtete ihn prüfend. »Schöner Dolch«, sagte er.
»Eine Athame«, erklärte sie. »Ein okkulter Gegenstand.«
»Francalein«, sagte er nachsichtig, »ich hatte schon öfter mit so was zu tun.«
»Echt?« Sie staunte. »Ich wusste nicht, wie man so was nennt. Oliver Reimers hat es mir erklärt.«
»Tja, man lernt eben nie aus«, meinte Frankenstein lakonisch.
Franca ging in ihr Büro. Sie dachte an das zurückliegende Gespräch mit Oliver. Er war davon überzeugt, dass Davina Kayner dieser Gruppe von Satanisten angehörte, die der Polizei schon länger das Leben schwer machte. Es musste einen Zusammenhang mit dem Mord an Mario Reschkamp geben. Dafür sprach auch das mattsilberne Amulett auf dem Altar in Davinas Zimmer, das offensichtlich ein sogenanntes Hexenauge war und gerne bei Geisterbeschwörungen und ähnlichen Zeremonien eingesetzt wurde.
»Sag mal, weißt du eigentlich mehr über Satanismus und solche Dinge?«, fragte sie Hinterhuber. Er sah hoch. Vor ihm lag ein aufgeklappter Schnellhefter. »Was meinst du mit ›solche Dinge‹?«
»Na ja, dass es diese schwarz gekleideten Typen aus der Gothic-Szene gibt, wissen wir ja. Die laufen einem ja öfter über den Weg. Aber haben die auch was mit Satanismus zu tun? Und was wollen die eigentlich? Ich meine, was ist deren Ziel? Das ist mir ziemlich schleierhaft.«
»Viel weiß ich da auch nicht drüber.« Er lehnte sich zurück. »Ich meine, die Satanisten glauben, dass Satan eine größere Macht hat als Gott«, sagte er. »Deshalb muss man sich mit dem Teufel verbünden, um ihn wohlgesinnt zu halten.« Er spielte mit dem Stift in seiner Hand. »So genau blicke ich da auch nicht durch.«
»Ich glaube, ich sollte mich da mal etwas schlauer machen.« Kurz
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