Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Exportartikel der Kelten. Bis heute ist die Mechanik des Krans intakt. Ja, das war noch solide Handarbeit.«
»Woher weißt du denn das alles? Hast du das in der Schule gelernt?«, fragte Franca.
Er schüttelte den Kopf und lachte. »Früher hat mich das nicht so sehr interessiert. Erst in letzter Zeit habe ich mich ein wenig kundig gemacht und gemerkt, wie spannend das alles ist.«
Oben auf dem Bergkamm angekommen, stellte er den Wagen auf dem Seitenstreifen ab.
Sie liefen ein kleines Stück Feldweg entlang, bis sich vor ihnen der Wald auftat. Das Bild, das sich Franca bot, war atemberaubend.
Oliver berührte sie leicht am Arm. »Na, hab ich dir zu viel versprochen?«
Unter ihnen lag der Rhein. Das breite Flussbett war umgeben von sanft gerundeten, bläulich schimmernden Hügeln.
»Von hier aus kann man bis ins Siebengebirge sehen. Den Drachenfels nennt man im Volksmund auch Schwiegermutterfelsen.« Lachend suchte er ihren Blick. Sie fiel in sein Lachen ein.
Genau gegenüber, unterhalb der Weinberge, lag der Ort Leutesdorf. Die Häuser rund um die zwei Kirchen dort wirkten wie eine sich ins Tal kauernde Spielzeuglandschaft.
»Der Leutesdorfer Riesling wird auch bei uns gern getrunken«, sagte Oliver.
»Wie kommt man denn da hinüber?«, wollte sie wissen.
»Über die Neuwieder Brücke. Das dauert gut und gern zwanzig Minuten. Schwimmen wäre schneller.« Wieder lachte er. »Früher gab es eine Fähre von Andernach nach Leutesdorf, die regelmäßig fuhr. Doch das lohnte sich wohl irgendwann nicht mehr. Heute geht die Fähre nur noch ein paar Mal im Jahr zu besonderen Anlässen.«
»Es ist wirklich wunderschön hier«, sagte Franca. »Und so ruhig. Man fühlt sich ein klein wenig wie fernab jeglicher Zivilisation.«
Er lächelte sie an. Sie lächelte zurück. Sie hatte es nicht mehr eilig. Nichts war wichtiger als dieser Augenblick. Er stand dicht neben ihr. Sie stützte sich auf das Holzgeländer. Fast berührten sich ihre Hände. Sie neigte ein wenig den Kopf, roch sein Rasierwasser. Ein angenehmer, herber Duft.
Plötzlich war da ein irritierendes Geräusch. Ein Rascheln zunächst. Dann ein leises Schnaufen und Ächzen.
Sie kniff die Augen zusammen und lauschte. »Hörst du das?«
»Was meinst du?« Er sah sie fragend an.
»Da ist was.« Sie blickte sich suchend um. »Ich höre es ganz deutlich. Ich glaube, das kommt von dort drüben.« Sie ging ein paar Schritte. Da war es wieder: ein Stöhnen. Ihre Augen wanderten hin und her, bis sie im Unterholz einen dunklen Schatten bemerkte.
»Da liegt jemand.«
Dann sah sie das Mädchen. Ein Mädchen mit blassem Gesicht und dunklen, fransigen Haaren, die ihr wie ein Schleier ins Gesicht hingen. Sie lag zusammengekauert gege n einen Baumstamm gelehnt. Neben sich eine leere Wodkaflasche.
»Mein Gott …«
Franca kroch durch Zweige und Buschwerk hindurch. Sie sprach das Mädchen an. Zwickte sie in die Wangen. Das Mädchen bewegte die Lippen und verzog das Gesicht. Die Lider über den geschlossenen Augen zuckten.
Oliver zog geistesgegenwärtig sein Handy aus der Tasche. »Einen Krankenwagen hoch zum Krahnenberg. Ja, bitte schnell. Wahrscheinli ch Alkoholvergiftung.« Er drückte auf den Ausknopf.
»Sie kommen gleich«, sagte er. »Mann, Mann, Mann. Dass die sich so die Birne zuknallen müssen. Die kapieren überhaupt nicht, was sie damit anrichten.« Er schüttelte den Kopf.
Francas Blick ließ das Gesicht des Mädchens nicht los. Sie kannte die Augenfarbe unter den geschlossenen Lidern. »Weißt du, wer das ist?«, fragte sie tonlos.
Er ging in die Hocke. »Sollte ich?«
»Sie ist eine von Mario Reschkamps Freundinnen. Davina Kayner.«
Doch Oliver schien ihr nicht zuzuhören. Er nahm ein Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche und bückte sich. Als er sich wieder erhob, hielt er etwas Längliches, silbern Glänzendes in der Hand. »Das ist eine Athame«, sagte er und zeigte ihr den Dolch mit verziertem Griff und einer beidseitig geschliffenen Schneide. »So was haben wir schon mal auf dem Friedhof gefunden, wenn diese Typen ihre schwarzen Messen abgehalten haben.«
Sofort begannen die Gedanken in Francas Kopf Wirbel zu schlagen. Gedanken, die sie sofort wieder verwarf. Und die wie Bumerangs zurückschnellten.
Mario Reschkamp war mit einer zweischneidigen Klinge getötet worden. Die Klinge war zwanzig Zentimeter lang. Das könnte der Länge dieser Klinge hier entsprechen. Aber war einem zarten Persönchen wie Davina überhaupt ein solch brutaler
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