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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Benjamin Franklin statt des Adlers den Truthahn zum amerikanischen Wappenvogel machen wollte?«
    »Das ist grotesk!«
    »O nein, es ist historisch belegt. Franklin -«
    »Kürzel für Pesos! Lachhaft! Das können Sie unmöglich beweisen! «
    »Unwiderleglich beweisen nicht, nein. Es ist Geschichte, keine Mathematik. Aber die erdrückende Last der Indizien -«
    »Erdrückende Last der Indizien!« Ayn spie aus. »Statistik, meinen Sie! Die beweist gar nichts! Meine Erklärung ist unleugbar rationaler. Das können Sie nicht bestreiten!«
    Jerry Gant runzelte die Stirn. »Ich glaube, das habe ich gerade getan.«
    »Themenwechsel, Leute«, warf Joan ein. Um die Debatte zu beenden, legte sie eine bestickte Leinenserviette über die Glaskugel der Elekto-Lampe. »Kannst du damit was anfangen, Jerry?«
    »Hmm«, sagte Jerry und musterte die Serviette. »Die ist aus dem >Klub 33*. Hat Harry dir eine Mitgliedschaft gekauft?«
    Joan schüttelte den Kopf. »>Klub 33<«, sagte sie. »Ist der in Atlantic City?«
    »Nein. Anaheim, Kalifornien. Er ist in Disneyland.«
    Joan wechselte einen Blick mit Kite und fragte dann: »Nur in Disneyland, oder gibt es auch noch einen im Pariser Euro-Disney?«
    »Nein, es gibt nur den einen.« Jerry lächelte. »Der >Klub 33* ist eine einmalige historische Anomalie, genau die Art, die ich bevorzuge.« Er deutete mit einem Nicken auf die magische Schachtel, die Kite in der Hand hielt. »Was wollt ihr mir sonst noch zeigen?«
Eine Kelle Tim-ball Fronicke
    »Dieser >Klub 33 < war also ursprünglich als privater Speisesaal für Disneys Ehrengäste gedacht?«
    »Ausländische Würdenträger und dergleichen«, bestätigte Jerry. »Auch Wissenschaftler - Disney war ein regelrechter Techniknarr. Es gibt sogar die Legende, die allerdings nicht stimmt, Disney habe seinen Leichnam in der Hoffnung, irgendwann in der Zukunft wieder zum Leben erweckt zu werden, kryogenisch gefrieren lassen. Den verrückteren Versionen des Mythos zufolge soll sich der Rryogentank unter den > Piraten der Karibik* befinden, grad ein paar Türen weiter vom >Klub 33<.«
    »Stimmt nicht?« fragte Joan.
    »Nach Auskunft seines Totenscheins wurde Disneys Leichnam verbrannt«, sagte Jerry. »Seine Asche ist im Forest Lawn Memorial Park begraben, in Glendale, Kalifornien. Mehrere Fachkollegen sind dort hingefahren und haben es überprüft.«
    »Entschuldigen Sie die Frage, Mr. Gant«, sagte Kite Edmonds, »aber was genau ist Ihr Fachgebiet? Welchen Bereich der Geschichte unterrichten Sie?«
    »Gesellschaftswissenschaften an der High-School«, sagte er, mit hörbaren Anführungsstrichen um das erste Wort. »Kaum mehr als Erdkunde. Das habe ich jetzt Gott sei Dank hinter mir-nicht, daß ich die Kinder nicht gern gehabt hätte, aber jeden Tag von sieben bis vier Unterricht, dazu noch die Lehrerversammlungen, das war für meinen Geschmack einfach alles zu durchgeplant und zeitraubend, selbst wenn man die Sommerferien berücksichtigt. Ich ziehe eine flexiblere Daseinsweise vor, wie den bezahlten Ruhestand. Was mein Spezialgebiet anbelangt - mein B.A.-Studium an der New Jersey State war eher interdisziplinär: adoxographische amerikanische Kulturgeschichte kombiniert mit recherchenorientierter anthropologischer Volkskunde.«
    »Alligatoren in Abwasserkanal 101«, übersetzte Joan.
    »Es gab Alligatoren in der Kanalisation«, sagte Jerry Gant. »Es gab wirklich welche.«
    »Glaub mir«, sagte Joan, »das weiß ich.«
    Jerry steckte die Betamax-Videokassette und das Achtspurband in die entsprechenden Abspielgeräte. Sein Arbeitszimmer war ein Elefantenfriedhof altmodischer audiovisueller Aufzeichnungs- und Wiedergabesysteme: ausgegrabene und restaurierte Zeugnisse vergangener Völkskulturen. Man konnte niemals wissen, welche eminent wichtigen Belanglosigkeiten in den Vinylrillen einer 78-U/min-Platte begraben oder auf der Magnetbeschichtung eines Spulentonbands aufgerollt liegen mochten; und außerdem machte es Spaß, die kleinen Spulen aufzufädeln, an der Kurbel des Victrola zu drehen und dem Tonarm zuzuschauen, wie er zur Musik der Vergangenheit tanzte.
    Aber nicht alle Geräte in dem Zimmer waren veraltet: Jerry besaß einen Gray PC, der technisch noch up-to-dater war als der in Joans Büro. Der Betamax- und der Achtspur-Recorder waren beide daran angeschlossen. »Wir werden Ton und Bild digitalisieren und lassen sie dann vom Rechner synchronisieren«, sagte Jerry und startete den PC. »Spaß hin, Spaß her, aber ein Achtspurgerät ohne

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