G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
Piraten. Um an Norma Eckland und Asta Wills heranzukommen, brauchte Ellen einen Enterhaken, da sich die beiden ganz oben in einen anderen verlassenen Leuchtturm zurückgezogen hatten (dieser befand sich auf dem
Zipfel von Coney Island); und als Lexa endlich die palästinensischen Kazensteins im Manhattaner »Russian Tea Room« aufgespürt hatte, war deren Aston Martin gerade abgeschleppt worden, so daß sie alle fünf plus Irma Rajamutti in den Käfer gestopft werden mußten.
Bis zum späten Nachmittag waren sie allerdings alle in der U-Boot-Höhle beisammen. Morris stand auf dem Rumpf der »Yabba-Daba-Doo« und lud vier Raketenabschußrohre mit je einer gelben Boje, während er sich gleichzeitig bemühte, das Gestichle seiner palästinensischen Geschwister zu ignorieren. Asta, Norma, Irma, Marshall Ali, Neunundzwanzig-Wörter, Os-man Hamid, Jael Bolívar und Ellen Leeuwenhoek waren unter Deck, desgleichen Seraphina, die sich von Ellen hatte mit rausnehmen lassen, um einem gewissen Jemand einen Heldenabschied zu bereiten. Philo schritt die Pier in voller Länge ab und unterzog den Rumpf des Bootes einer gründlichen Inspektion; sein morgendlicher Optimismus war einem steinernen Ernst gewichen, der fast schon ins Grüblerische spielte.
»Mulmig?« fragte Lexa. Sie ging eingehakt neben ihm.
»Nachdenklich«, erwiderte Philo. Er sah sie an. »Ganz schön bekloppt, was wir da vorhaben, wie?«
Lexa nickte. »Die meisten würden das wahrscheinlich so nennen, ja.«
Auch Philo nickte. Dann sagte er: »Ich hatte über Flora nachgedacht. Uber 04.« Er drückte Lexas Hand. »Du hast während der Pandemie Menschen richtig sterben sehen, nicht? Ich meine, live gesehen, nicht im Fernsehen.«
»Ich hab durch die Pandemie einige gute Freunde verloren«, sagte Lexa. »Und wenn ich nicht bei ihnen war, war ich unterwegs und versuchte, über die Sache zu berichten. Zusammen mit Ellen, bis sie erfuhr, daß ihr Lover krank war. Und Joan, Joan war auch ständig unterwegs ... das war ja das Jahr, wo ihre Mutter sich mit dem Papst angelegt hat, und sie pendelte den ganzen Sommer lang ununterbrochen zwischen Boston, New York und Philly hin und her. Sie verließ Brooklyn am letzten Tag der Seuche, als die Regierung endlich anfing, Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Sie war in Bed-Stuy, als es brannte. Typisch Joan - um ein Haar wäre sie von der Nationalgarde erschossen worden.«
»Mmm«, sagte Philo, »ein Erlebnis, das ich durchaus nachvollziehen kann.«
»Was ich noch immer unbegreiflich finde«, sagte Lexa, »ist, wie viele Leute sagen, sie hätten »die Pandemie verpaßt*, oder Sachen in der Art - so, als würde man sagen, man sei während der Sintflut grad nicht in der Stadt gewesen.«
»Na ja«, sagte Philo, »du weißt, daß ich nicht da war.«
»Aber das ist was anderes. Ich red nicht davon. Du warst wirklich nicht in der Stadt, als die Pandemie passierte.«
Tatsächlich war Philo bei Ausbruch der Seuche auf See gewesen, seit fast einem Jahr schon, und hatte mit einer Öko-Schar von Regenbogenkriegern auf einem Dreißigmeter-Korsar Dienst getan. Wie Philo es später auf der »>Yabba-Dabba-Doo« auch tun würde, hatten die Krieger den Atlantik in allen Himmelsrichtungen abgeklappert, waren nach Süden gesegelt, um eine Flotte japanischer Ernteschiffe zu stören, die widerrechtlich Raubbau am Krillbestand der Weddellsee trieben, nach Norden in die Dänemarkstraße, um von isländischen Fischern ausgelegte Treibnetze einzuholen, nach Osten und Westen auf der Suche nach weiterem Unrecht, das es in der Biskaya und im Golf von Mexiko zu richten galt. Auf ihre Weise ähnelten die Regenbogenkrieger durchaus den Pennsylvania-Deutschen, bei denen Philo aufgewachsen war: prinzipientreu; hart arbeitend; pazifistisch; technologiefeindlich; vollbärtig und eigenbrötlerisch. Sie hatten ein Kurzwellenradio an Bord, benutzten es aber praktisch nur, um den Wetterbericht zu hören und um sich von ihrer Bostoner Zentrale Meldungen über potentielle Zielobjekte durchgeben zu lassen; ihre Post wurde nach dem jeweiligen Hafen weitergeleitet, den der Korsar vermutlich als nächstes anlaufen würde, aber solche Vermutungen erwiesen sich oft als falsch, und die Briefe und Päckchen mußten in der Regel noch mehrmals weiter-weitergeleitet werden. Was auch erklärte, mit welcher Verspätung Philo erfahren hatte, daß er Vater geworden war.
»Nach unserem Abschluß an der U. Penn.«, hatte Philo Lexa erklärt, »verloren Flora und ich uns aus den Augen
Weitere Kostenlose Bücher