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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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zuckte die Achseln. »Kann schon sein. Aber mir macht's Spaß, die kleinen Spulen einzufädeln.«
    »Okay, Mr. Zerstreuter Professor«, sagte Winnie Gant, die gerade in die Diele hereingekommen war. Mit einer Wäscheklammer befestigte sie ein abgerissenes Stück Briefpapier an einem von Jerrys Hosenträgern. »Hier unten steht vorn die Nummer unseres Stockwerks, und auf der Rückseite ist ein Plan, wie du zum Fahrstuhl kommst, auf dem sämtliche Löwengruben und Moorlöcher eingezeichnet sind. Versuch, das nicht vor heut abend zu verlieren.«
    »Ja, Mutter«, sagte Jerry, durch ihren barschen Ton nicht im mindesten eingeschüchtert. Das war eines der Dinge, die Winnie auf Anhieb an ihm gefallen hatten - daß er sich, trotz seiner zierlichen Statur, selten von irgend etwas ängstigen oder einschüchtern ließ. »Mir ist klar, daß es zum Teil einfach daran liegt, daß er die reale Gegenwart und die Vergangenheit seiner Geschichtsbücher nicht so gut auseinanderhalten kann«, hatte Winnie Joan einmal anvertraut. »Aber ich hab schon Straßenräuber und Kampfhunde unverrichteter Dinge abziehen sehen, weil sie ihn nicht dazu hatten bringen können, sie ernst zu nehmen. Es ist eine besondere Art von Kraft.«
    »Ich muß jetzt wieder rauf«, sagte sie nun und neigte den Kopf, um Jerry einen Abschiedskuß zu geben. Ayn Rand wand sich in ihrer Lampe vor Verlegenheit; Joan begriff, daß dieser Anblick - die Mutter eines anerkannten Wirtschaftswunders, die ihren Mann um einen halben Kopf überragte - nicht so recht in das objektivistische Konzept des heldischen Mannes und der heldenverehrenden Frau paßte. Aber schon kurz darauf hatte Winnie die Wohnung verlassen (und dabei Joan im Vorbeigehen einen Klaps auf die Schulter gegeben), und jetzt versuchte Ayn, den Eindruck, den sie von den Gants hatte, durch ein Kompliment aufzubessern.
    »Ich bewundere Ihre Hosenträger«, sagte sie, wobei sie Wäscheklammer und Zettel aus ihrem Lob aussparte. Jerrys Hosenträger waren knallrot und mit aufgedruckten goldenen Dollarzeichen übersät.
    »Oh, danke schön!« sagte Jerry. »Winnie hat sie mir im Ausverkauf besorgt. Ich hab mit Hilfe dieser alten Grapefruit-Diät aus der Post - >lcontrollierte Unterernährung* wäre die treffendere Bezeichnung - zwanzig Pfund abgenommen, und es war eine geringere Mühe, die hier zu kaufen, als alle meine Hosen enger zu nähen. Ich werd das Gewicht wahrscheinlich sowieso nicht halten können.«
    »Als Historiker«, fuhr Ayn Rand fort, »wissen Sie zweifellos, daß das Zeichen des Dollars dadurch entstanden ist, daß man die Initialen der Vereinigten Staaten, U und S, einander überlagert hat. Daher habe ich es schon immer als das vollkommene Symbol für den freien Unternehmer, den tätigen Visionär, betrachtet. Für Männer wie Ihren Sohn.«
    »Harry ist ein guter Junge«, pflichtete Jerry ihr bei. »Aber diese Geschichte über die Entstehung des Dollarzeichens stimmt leider nicht.«
    Ayns Lächeln gefror. »Wie bitte?«
    »Na ja, die Initialentheorie ist mir natürlich bekannt, und ich kann verstehen, daß sie einer glühenden Philoamerikanerin gefällt. Aber gerade dieses Element des Gefallens ist ein Grund zur Skepsis. Die Faustregel zur Beurteilung des Wahrheitsgehalts ätiologischer Volksüberlieferungen lautet: Je romantischer eine Erklärung klingt, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie nicht stimmt.«
    »Wollen Sie damit unterstellen, daß das Dollarzeichen sich nicht aus den Initialen der Vereinigten Staaten zusammensetzt?«
    »Nicht unterstellen. Ich habe die Oxford-Monographie zum Thema gelesen, und dann noch einen weniger bierernsten Artikel im Harper's. Das Wort >Dollar< stammt natürlich aus dem deutschen >Taler<, was wiederum eine Verkürzung von > Joa-chimsthaler< ist, wie die erstmals im Jahre 1519 vom Grafen von Schlick im böhmischen Joachimsthal geprägte Silbermünze nach ihrem Herkunftsort genannt wurde. Das Dollarzeichen andererseits ist mit fast hundertprozentiger Sicherheit eine Folge der Tatsache, daß Thomas Jefferson den US-Dollar nach dem Vorbild des spanischen Acht-Real-Stück oder Peso gestaltete, der zur Zeit der Revolution in den amerikanischen Kolonien ein sehr weit verbreitetes Zahlungsmittel war.«
    »Peso!« stieß Ayn hervor. »Peso!«
    »Ja, Peso. Das Symbol ist wahrscheinlich ein Kürzel für >Pe-sosc nicht ein U über einem S, sondern ein nachlässig gekritzeltes P über einem S. Das, oder schlicht eine Korruption der Ziffer Acht. Übrigens, wußten Sie, daß

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