G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
ich sehr ärgerlich.« Sie verdrehte den Kopf nach hinten und sah ihm in die Augen. »Kapiert?«
Philo nickte. Er nahm den Silberdollar und steckte ihn in die Tasche, schob den Kopf unter Lexas Kinn, preßte ein Lächeln in die Vertiefung ihrer Kehle und flüsterte: »Kapiert.«
Ein kurdisches Liebesamulett
Seraphina fand Marshall Ali in seiner Kajüte. Eine offene Stahlkassette lag zwischen seinen Füßen auf dem Boden, und eine Kollektion von steinernen Artefakten war neben ihm auf der Koje ausgebreitet.
»Was ist das?« fragte Seraphina, als Marshall Ali sie zu sich hereinwinkte.
»Das ist kurdische Archäologie«, erklärte er ihr. »Das alles.« Er deutete auf fünf weitere Kassetten, die an einem Schott aufgestapelt lagen und mit Leinwandgurten festgezurrt waren. »Als ich aus der Türkei floh, war es unumgänglich, noch viele weitere Behälter zurückzulassen; das hier war alles, was ich tragen konnte. Aber es ist die größte Sammlung kurdischer Artefakte auf der ganzen Welt. Es ist die einzige.«
»Du mußtest die Türkei verlassen?«
»Zusammen mit meinem guten Freund Osman Hamid. Er fuhr das herrliche Taxi von Istanbul nach Diyarbakir, wo ich wohnte. Wir sahen uns im Haus meiner Großmutter immer Videos an: amerikanische Martial-arts-Filme, auch Raubkopien von Kassetten mit Sonny Bono und Cher Sarkisian. Jedes Jahr während des heiligen Monats Ramadan erforschten wir die Ruinen Türkisch-Kurdistans. Wir fasteten, wie es zu Ramadan Sitte ist, und der Hunger schenkte uns Visionen, die die Geheimnisse der Vergangenheit entschleierten. Bedauerlicherweise schenkt das Ramadan-Fasten auch eine reizbare Stimmung. Bei unserer letzten Expedition wurden wir von einem dicken türkischen Soldaten aufgespürt, einem sehr abscheulichen Mann. Er schlich sich mit seinem Jeep an unser Lager heran und hörte, wie ich ein Lied von Sonny und Gher sang, das ich ins Kurdische übersetzt hatte. In der Türkei ist das ein schweres Verbrechen.«
»Lieder von Sonny und Cher zu singen?«
»Sich der kurdischen Sprache zu bedienen. Zehn Jahre Ge-fängnis ist das mindeste. Das gehört zum kulturellen Expansionsprogramm der Regierung. Osman versuchte, ein gutes Wort für mich einzulegen, aber das reizte den Soldaten nur um so mehr - der Anblick eines türkischen Landsmanns, der einen Kurden in Schutz nahm -, und er kehrte zu seinem Fahrzeug zurück und fuhr damit auf mich los. Ich war gezwungen, mich im Stil des amerikanischen Ninja Chuck Norris zu verteidigen: Ich sprang über die Motorhaube des Jeeps und stieß meinen Fuß durch die Windschutzscheibe. Das erwies sich als wirkungsvoll. Ich wollte, alle bösen Türken hätten nur einen Hals ... aber die Welt ist nicht so unkompliziert. Kurz nachdem wir nach Diyar-bakir zurückgekehrt waren, erfuhr ich, daß weitere Soldaten nach uns suchten, mehr Soldaten, als selbst der schätzenswerte Bruce Lee hätte in Schach halten können. Wenn wir nicht wünschten, wie Butch Cassidy und Sundance Kid zu enden, war es unumgänglich, daß wir das Land in aller Eile verließen. Unterstützt wurde unsere Flucht durch den Mossad-Zweig der Familie Kazenstein, dem meine irakischen Vettern früher einmal einen besonderen Dienst erwiesen hatten.« Marshall Ali breitete die Hände aus. »Und heute sind wir hier. Ich werde Kurdistan nie wiedersehen.«
»Das ist schrecklich traurig«, sagte Seraphina und wünschte, sie hätte seinetwegen wirklich traurig sein können.
»Es ist Vergangenheit«, sagte Marshall Ali zu ihr. »Nicht vergessen, aber erledigt. Aber du hast mich nicht aufgesucht, um dir betrübliche Geschichten anzuhören. Deine Stirn glänzt vom Gluttau der verliebten Frau.«
Seraphina führte eine Hand an ihre Stirn, die sich irgendwie ölig anfühlte. »Sieht man das wirklich so deutlich?«
Marshall Ali lächelte. »Möchtest du wissen, wo er ist?«
»Eigentlich hatte ich gehofft...«
»Einen Rat zu bekommen?«
»Ja«, sagte Seraphina. »Einen Rat, wie ich ... wie man am besten ... also ...«
»Die Frau stellt dem Manne nach mit Wollust in ihrem Herzen«, sagte Marshall Ali. »Die Sorte Filme haben wir damals nicht ausgeliehen. Ich glaube, sie sind in der Türkei verboten.«
»Dann kannst du mir also überhaupt keine Tips geben?«
»Die Handfläche.«
»Die Handfläche?«
Er nickte. »Ergreife das Handgelenk so« - er umfaßte ihr linkes Handgelenk mit seinem rechten Daumen und Zeigefinger - »und appliziere die Spitze der Zunge auf die Handfläche.«
»Du meinst, seine
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