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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Zwischenbereich, unter dem alle übrigen Perspektiven nachweislich subsumiert werden können. Dieser Zwischenbereich ist das, was man >Kompromiß< nennt: die zynische Anpassung der Wahrheit an die Unwahrheit, der Vernunft an die Unvernunft, der Gerechtigkeit an die Ungerechtigkeit, des Guten an das Böse, der Moralität an die Immoralität.«
    Joan schüttelte den Kopf. »Selbst wenn alle Streitfragen tatsächlich auf zwei polar entgegengesetzte Standpunkte reduziert werden könnten - was ich nicht glaube -, würden unterschiedliche Menschen unterschiedliche Pole wahrnehmen. Was des einen >Zwischenbereich< ist, ist des anderen absolute Wahrheit. Und wieder eines anderen totale Unwahrheit.«
    »Vielleicht verhält es sich bei Einfaltspinseln so«, sagte Ayn. »Oder Wilden. Aber für vollkommen rationale Wesen -«
    »Aber so was gibt es doch gar nicht!« sagte Joan. »Darauf bezog sich ja mein ganzer Sarkasmus. Sie reden von der Vernunft so, als ob sie etwas Ansichseiendes wäre, etwas, was man vom Vernünftigen, vom rational Denkenden loslösen könnte, aber so ist es ganz und gar nicht - und ganz besonders nicht in Fragen der Ethik. Fakten sind Fakten, aber was einem ethisch oder moralisch richtige rscheint, ist immer davon abhängig, wer man ist: davon, was man erlebt hat, was für Menschen man kennengelernt und welche guten oder schlechten Erfahrungen man mit ihnen gemacht hat, davon, welche Bücher man gelesen hat und welche man zu faul gewesen ist zu lesen, von den eigenen Wünschen undÄngsten und von hundert weiteren subjektiven Faktoren.«
    »Dann glauben Sie also, daß keine Hoffnung besteht«, sagte Ayn Rand. »Sie glauben, daß rationales Denken nichts vermag, daß der Mensch zu einem Dasein der Launen und der Beliebigkeit verurteilt ist.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß das Denken nichts vermag. Nicht sicher sein ist nicht dasselbe, wie überhaupt nichts wissen. Alles, was ich sagen will, ist, daß niemand im Besitz der ganzen Wahrheit ist - Sie nicht, Karl Marx nicht, der Papst nicht und ich selbst auch nicht. Wenn jemand doch die ganze Wahrheit besäße - wenn wir absolut, mathematisch sicher sein könnten, daß wir in jeder Situation das Richtige vom Falschen unterscheiden könnten -, wozu bräuchten wir dann noch die Hoffnung?«
    »Bah!« Ayn warf angewidert die Hände hoch. »Zwecklos! Zwecklos zu versuchen, mit einer collegeverhunzten liberalen Mystikerin vernünftig zu redenl Und es ist ohnehin alles nur Schwindel - Sie sind intelligent, Sie wissen, daß ich recht habe, aber meine Schlußfolgerungen stimmen nicht mit Ihren Launen überein, also ziehen Sie es vor, statt zuzugeben, daß Sie meine Beweise nicht widerlegen können -«
    »Starre Ansichten und Humorlosigkeit sind noch keine Beweise, Ayn. Ihre Theorie ist in manchen Punkten durchaus nachvollziehbar, aber -«
    »Theorie!« brüllte Ayn. »Meine Philosophie ist keine Theorie!« Sie fuchtelte wütend mit ihrer Zigarettenspitze herum und versprühte Funken wie eine ganze Schrotladung Glühwürmchen. »Sie können den Kapitalismus nicht widerlegen, und das wissen Sie auch!«
    »Ich bin mir gar nicht mal so sicher, daß ich den Kapitalismus widerlegen möchte«, sagte Joan. »Nicht in Bausch und Bogen jedenfalls. Schließlich besitze ich dank der Abfindung von Gant
    Industries ein Haus und ein ziemlich dickes zinsenbringendes Bankkonto, und ich muß zugeben, daß ich im allgemeinen ein ziemlich egoistischer Mensch bin. Aber egoistisch bedeutet nicht, daß ich mir nicht gleichzeitig auch einer Verpflichtung gegenüber den Bedürfnissen anderer Menschen bewußt wäre. Wenn der höchste Maßstab jeglicher Moral das Leben ist, und wenn Eigentum nur ein Mittel zu diesem Zweck ist, dann -«
    »Nein! Es kann keine Verpflichtung zur Nächstenliebe geben! Sehen Sie denn nicht, daß es ein Widerspruch in sich ist?«
    »Bis zum Extrem getrieben, wird's widersinnig. Wenn von mir verlangt wird, das Leben andrer Leute als unantastbarer als mein eigenes zu betrachten, oder mich für Menschen aufzuopfern, die nicht wirklich in Not sind, dann gebe ich Ihnen recht, dann bedeutet es tatsächlich eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes. Aber es besteht doch ein Unterschied zwischen vernünftigem Eigennutz und ein unbarmherziger Schweinehund sein.«
    »Sozi!« zischte Ayn. »Erzählen Sie mir nichts von Barmherzigkeit! Glauben Sie etwa, ich hätte mich nicht abgeplagt, als ich in dieses Land kam? Glauben Sie, ich wäre nicht verzweifelt und in Not gewesen?

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