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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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denn«, sagte Joan.
    »Na denn«, sagte Kite.
    »Jetzt wissen wirs.«
    Jetzt wußten sies. Wenn sie sich mit einem Gesicht wie nach einer Bombennacht über den Küchentisch hinweg anstarrten, so lag das teils an Schlafmangel, teils an der Stange Marlboro, die sie sich während des Nichtschlafens reingezogen hatten, aber in erster Line an dem, was sie erfahren hatten - oder dachten, erfahren zu haben, denn die Geschichte, die in Hoovers Geheimakte ausgebreitet wurde, überschritt an ein, zwei Stellen ganz entschieden die äußerste Grenze des Glaublichen. Trotzdem hatte Joan einen anderen Computer mit Modem aufgetrieben -nichts so Aufsehenerregendes wie ihr Cray, aber brauchbar -, um ein paar Datenbanken anzuwählen und ein paar Fakten zu verifizieren. Was sich überprüfen ließ, hielt der Uberprüfung stand, und im Bild, das sich abschließend ergab, stellte Amber-son Teanecks Tod nur ein Detail dar.
    »>Lern zu relaxen, während du auf die Offenbarung wartest<«, zitierte Joan. »Hatte dir was in der Art vorgeschwebt, Kite?«
    Kite schüttelte den Kopf. »Ich bin mal den Jungs von Boss
    Tweed ins Gehege gekommen«, sagte sie, »das war, wie ich nach dem Krieg zum erstenmal nach New York kam. Aber das schlägt jede Verschwörung, die Tammany Hall je ausgebrütet hat, um einige Längen.«
    Obwohl die Luft in der kleinen Küche bereits ein fast reiner Nikotinnebel war, wühlte Joan zwischen zerknüllten Zigarettenpackungen nach einer noch ungerauchten Kippe. Sie fand eine und steckte sie sich an. »Okay«, sagte sie, »gehen wir die ganze Sache noch einmal durch ...«
    »In Ordnung.«
    »Erstens«, sagte Joan, »Walt Disney stellte John Hoover nicht als Robotiker ein. Hoover entwarf zwar ein paar kleinere audio-animatronische Spielereien, aber das war nur zur Tarnung seiner eigentlichen Arbeit - an einem Geheimprojekt, das er in den fünfziger Jahren Disney schmackhaft zu machen gewußt hatte. Es ging um Künstliche Intelligenz.«
    »Ein Elektro-Gehirn«, sagte Kite. Sie blätterte in einem Stoß vollgekritzelter Blätter. »Ein >Gasphasiger Analoger Supercomputer«.«
    »Der >G.A.S.<«, las Joan von denselben Notizen ab, »der mit Hilfe >eines komplexen Gemisches von Gasen im Plasma-Zu-stand< die neuronalen Prozesse eines lebenden Organismus nachahmt. Ein Plasma-Computer: ionisiertes Gas anstelle von Silikon.«
    »Und die Plasma-Kammer«, sagte Kite, »das Gehirn dieser Maschine, erfordert eine Menge Energie und erzeugt eine Menge Hitze.«
    »Daher Walt Disneys angebliches Interesse an der Kryogenik. Er hatte gar nicht die Absicht, sich tiefkühlen zu lassen; er mußte nur dafür sorgen, daß seine KI beim Denken nicht durchbrannte.«
    »Sie installierten das Ganze in einem unterirdischen Bunkersystem, unter dem »Magischen Königreich*, in Orange County«, fuhr Kite fort. »Planung und Konstruktion nahmen elf Jahre in Anspruch...«
    »... was eine unglaubliche Leistung ist«, sagte Joan, »wenn man bedenkt, wie unterentwickelt die Computertechnik in den fünfziger und sechziger Jahren noch war. Aber John Hoover war ein echtes Genie, und der G.A.S. war eine revolutionäre Idee.«
    »Er kostete Millionen ...«
    »... und jeder Cent davon kam aus Disneys Privatschatulle. Walts Bruder Roy kümmerte sich um die Finanzen des Disney-Konzerns, und Roy war ein konservativer Mensch, der in den meisten Fällen keinerlei Verständnis für Walts visionäre Ideen aufbrachte: Er opponierte gegen den Bau von Disneyland, Disney World und Epcot Center. Er sah nicht ein, warum sie ins Vergnügungsparkgeschäft einsteigen sollten, wo sie doch bereits einen festen Platz in der Filmindustrie hatten.«
    »Es versteht sich von selbst«, sagte Kite, »daß er absolut dagegen gewesen wäre, ein Vermögen in ein Experiment in kreativer Computertechnik zu investieren. Es ist auch fraglich, ob sich viele Banken für das Projekt erwärmt hätten.«
    »Also belieh Walt heimlich einen großen Batzen seines Privatvermögens, um G.A.S. finanzieren zu können. Aus Memos, die er mit Hoover austauschte, wissen wir, daß er seinem Bruder und der ganzen Welt die Künsdiche Intelligenz als vollendete Tatsache vorführen wollte. Dann, wenn das System ausgereift vorlag, würde er keine Probleme damit haben, die nötige finanzielle Unterstützung zu bekommen, um einen noch anspruchsvolleren Plasma-Computer für die >Stadt von morgen< zu konstruieren, die er in Florida bauen wollte. Ein Walt-Disney-Utopia, mit einer gütigen KI als Paten der gesamten

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