G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
grinste.
»Hey, Harry«, sagte er. »Ich hab da ne wahnsinnig klasse Idee ...«
Joan und Meisterbrau (II)
Ayn fand die Kanalisation abscheulich.
»Es ist wie in Petrograd nach der Revolution«, sagte sie, angewidert von den flüssigen Ausscheidungen und dem anderen Unrat, den das Licht ihrer Lampe sichtbar werden ließ. »Schmutz und Verderbnis, wohin das Auge reicht.«
»Dafür keine Computerviren«, gab Joan zu bedenken. »Nichts, worum Sie sich Sorgen zu machen brauchten.«
»Aber wie können Sie es hier nur aushalten? Nach einer Stunde an so einem Ort müßte ich eine Woche lang unter der Dusche stehen ...«
»Also um ehrlich zu sein, mache ich mir momentan eher Sorgen um die Luftqualität.« Joan sah alle naselang auf die Anzeige des Luftscanners, der sich an ihrem Schutzanzug befand. »Ich habe nur eine Sauerstoffflasche mit, und ich hab vergessen, mir von Fatima einen Methanbericht geben zu lassen.«
Sie tuckerten eine Zeitlang schweigend vor sich hin; Ayn verzog bei jeder neuen Köstlichkeit, die vom Bugwasser der Barkasse aufgewirbelt wurde, das Gesicht. Dann sagte Joan: »Lassen Sie mich an Ihrem höheren Wissen teilhaben, Ayn ...«
»Jetzt wollen Sie meinen Rat?«
»Mir ist grade durch den Kopf gegangen, was ich vorhin zu Fatima gesagt habe, und irgendwie haut das nicht ganz hin. Wenn es stimmt, daß G.A.S. mich nicht einfach so umbringen kann, weil das nicht ironisch wäre, was hatte dann der Blechhund auf dem Bahnhof zu suchen? Sicher, es sah wohl so aus, als ob er versuchte, mich zu töten, aber nachträglich betrachtet, hätte er ein ganzes Stück aggressiver sein können ...«
»Aggressiver?« sagte Ayn. »Sie mußten ihn mit einem Taxi plattfahren.«
»Genau«, sagte Joan, »und was war mit dem Taxi? Sehr zuvorkommend von diesem Diener, genau in dem Augenblick mit einem fahrbaren Untersatz aufzukreuzen, als ich einen brauchte. Und was für ein glücklicher Zufall, daß er beschlossen hat, anzuhalten und zu Fuß auf mich loszugehen, anstatt mich einfach über den Haufen zu fahren. Und was für ein noch glücklicherer Zufall, daß er zuerst auf den Bahnhofswachmann geschossen hat, anstatt mir den Kopf wegzupusten, als er das problemlos hätte tun können.«
»Sie glauben, das war alles nur Schau?«
»Nicht alles nur Schau«, sagte Joan und betastete ihre Rippen. »Wenn ich die Gefahr nicht ernstgenommen hätte, wäre mir bestimmt etwas zugestoßen - etwas mehr zugestoßen. Aber es ist doch interessant, daß in derselben Minute, in der ich aus dem Zug gestiegen bin, die Bösewichter angefangen haben, mir zuzusetzen, einer nach dem anderen, ohne mir einen Augenblick Ruhe zu gönnen ... bis ich im Zoologischen Dezernat angekommen bin. Jetzt bin ich hier unten auf Höhe von, äh« - sie konsultierte den Elektro-Navigator - »7oth und Columbus, und seit ich abgelegt habe, ist nicht das mindeste passiert. Vielleicht hatte die ganze Aufregung auf Straßenniveau also nur den Zweck, mich dazu zu bringen, die unterirdische Route zum Babel zu wählen.«
»Aber warum?«
»Das ist genau das, was ich mich frage«, sagte Joan. »Eine Möglichkeit - wenn ich per Kanalisation zum Babel komme, bedeutet das, daß ich durch die Untergeschosse einsteige, das heißt also da, wo sich die Bombe befinden soll. Es sei denn ... Sind Sie sicher, daß Sie nicht die Bombe sind, Ayn?«
»Hundertprozentig.« Ayn runzelte die Stirn. »Aber da ich nicht weiß, warum ich hundertprozentig sicher bin, wären Sie eine Närrin, diese Antwort zu akzeptieren.«
»Nehmen wir einmal rein theoretisch an, ich akzeptiere sie. Wenn Sie nicht die Bombe sind, worin besteht dann die Falle?«
»Das weiß ich auch nicht. Da wir aber beide wissen, daß es eine Falle gibt, warum laufen Sie dann hinein?«
»Keine andere Wahl«, sagte Joan. »Ich muß es riskieren. Hoo-ver sagte, daß es in meiner Macht liegt, den Völkermord zu verhindern, und wenn -«
»Nein«, korrigierte Ayn sie. »Hoover sagte, daß es in Ihrer Macht liegt, die von ihm geschilderte Kette von Ereignissen zu durchbrechen. Er hat ihnen nicht versprochen, daß er in dem Fall irgend jemanden verschonen würde. Was, wenn Sie es wirklich schafften, die Freisetzung des Virus zu verhindern - und sich zu dem Zweck altruistisch opferten -, und der Völkermord fände trotzdem, auf irgendeine andere Weise statt? Wäre das nicht ironisch?«
»Ungefähr so ironisch, wie wenn ich die Sache aus egoistischen Gründen verhinderte, und es käme trotzdem nichts dabei raus ...
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