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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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hyperventi-lierte. Sie riß sich die Maske vom Gesicht, zippte den Reißverschluß ihres Bodysuits auf, zog eine Zigarette heraus, steckte sie an - und dabei um ein Haar den Sauerstoff in Brand - und inhalierte mit dem ersten Zug zwei Drittel ihrer Länge. Ihre Atmung beruhigte sich. Sie gab ihrer Kippe mit dem zweiten Zug den Rest, schnippte sie über Bord und holte den Erste-Hilfe-Kasten hervor. Sie versorgte ihre Wunde mit Mull und einer sterilen Kompresse, die sie fest andrückte, ohne aber ein Tourniquet anzulegen. Sie sagte sich, daß es wohl nicht nötig sei; sie konnte es sich nicht leisten, irgendwelche größeren Adern verletzt zu haben.
    Sie setzte die Barkasse wieder in Bewegung. Der Rauch hatte sich inzwischen zu einem feinen Dunst verflüchtigt, aber vielleicht kam der Dunst auch nur vom Schock. Nach einer Weile wurde Joan bewußt, daß Ayn ihr Anweisungen gab: »Hier links ... jetzt rechts ... jetzt nehmen Sie diesen Seitentunnel... jetzt wieder rechts ...«
    »So«, sagte Ayn endlich. Sie befanden sich in einem engen Nebenkanal, gerade tief genug, daß die Barkasse noch fähren konnte. Der Elektro-Navigator gab ihre Position mit i m4.1h Street an, zwischen Adam Glayton Powell Jun. und Malcolm X Boulevard - einem inexistenten Straßenabschnitt. Sie waren unter dem Babel.
    In die Tunnelwand war ein Loch gebrochen worden, groß genug, um einem Menschen oder einem Diener den Durchstieg zu erlauben. Neben dem Loch hatte man eine Metallklampe in die Mauer getrieben.
    »Das ist es?« sagte Joan.
    »Ja«, sagte Ayn.
    »Was ist da drin?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Sie wußten, wie man hierherkommt.«
    »Das bedeutet aber nicht, daß ich weiß, was da drin ist«, sagte Ayn unbehaglich.
    Joan schlang eine Leine um die Klampe. Sie probierte ihr Bein aus: Es war steif und schmerzte - es fühlte sich so an, als steckte noch immer eine Klinge in ihrem Oberschenkel -, aber es war nirgendwo taub geworden, und sie konnte gehen. Ich hab
    die Ader anscheinend wirklich nicht verletzt, dachte sie mit gezwungenem Optimismus. Der Verband war durchgeblutet, und von ihrer Ferse tropfte es auf den Boden.
    Mit klebrigen Fingern lud sie die Schrotflinte nach. Nachdem sie den Verband gewechselt hatte, fragte sie den Elektro-Naviga-tor nach weiteren Eingängen ins Gebäude, die nach Möglichkeit nicht ganz so extra für sie gemacht aussahen. Nach Auskunft des Navigators gab es ein kurzes Stück südlich einen Einstiegsschacht, der sie bis direkt vor die Muttersprachenpforte führen würde; der einzige Haken war, daß sie dazu eine fünfzehn Meter hohe Leiter würde hinaufklettern müssen. Joan verlagerte ihr ganzes Gewicht auf das heile Bein und hob das andere an, wie um den Fuß auf eine imaginäre nächste Sprosse zu setzen. Sie verlor vor Schmerz fast die Besinnung.
    »Ach, zum Teufel.« Sie legte die Sauerstoffflasche ab und stieg, das Gewehr in der einen und die Lampe in der anderen Hand, durch das Loch in der Tunnelwand.
    Ein enger Gang führte durch festgestampftes Erdreich und eine zweite durchbrochene Mauer. Jetzt befand sich Joan in einem dunklen Korridor aus Gußbeton, an dessen Decke Rohre entlangliefen. Es gab Lampen, aber der Strom war abgestellt; um etwas zu erkennen, brauchte sie Ayns Licht.
    »Wo lang?« fragte Joan.
    »Nach Norden«, sagte Ayn. »Geradeaus. Die Gittertür dahinten, sehen Sie? Das ist es.«
    »Das ist was?«
    »Weiß ich nicht.«
    Die Tür war neu, offensichtlich nachträglich eingebaut. Ihre zwei Flügel hingen an Automatischen Angeln und bestanden aus blanken Stahlstangen, die zu nah beieinander standen, als daß die Lampe hindurchgepaßt hätte; Joan konnte einen größeren Raum dahinter spüren, aber Ayns Licht reichte nicht so weit hinein, daß sie etwas hätte erkennen können. ] »Mehr Licht!« sagte Joan.
    j »Geht nicht.«
    Joan drückte gegen das Tor; es rührte sich nicht. Sie suchte ■ nach einem Aufschließmechanismus und fand einen Metallka
    sten mit einem Mikrophongitter an der Vorderseite.
    »Es ist ein akustisches Schloß«, erklärte Ayn unaufgefordert. »Eine bestimmte Kombination von Lauten öffnet es.«
    Joan sah sie an. »Kennen Sie das Zauberwort, Ayn?«
    Ayn dachte nach. »Ja«, sagte sie. »Es ist... Oh! Oh! Du Bastard!«
    »Was?«
    »Du Bastard!«
    »Ayn, was ist denn?« Die Philosophin sah zorniger aus, als Joan sie je gesehen hatte.
    »Das ist das reine, unverfälschte Böse!« sagte Ayn. Und dann skandierte sie mit einem Ausdruck unaussprechlichen Ekels, jedes Wort

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