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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Fassade von Lexas Apartmenthaus zeigte den Querschnitt eines Ozeans mitsamt dazugehöriger Fauna: Seekühe und Walrosse, die sich in den Wellen direkt unterhalb der Dachkante tummelten; Delphine, Muränen und gelenkige Sporttaucher an der Außenfront von Lexas Wohnung, im dritten Stock; und so weiter, bis hinunter zu den blauschwarzen Tiefen des Erdgeschosses, wo Tiefseeanglerfische an der silbernen Hand der Fatima vorbeischwammen, die die Eingangstür schmückte. Hinter den leuchtenden Farben und der Beton-und-Ziegel-Fassade verborgen, führte ein modernes Rohrleitungssystem Catskill-Wasser, das man selbst im Jahr 2023 noch bedenkenlos trinken konnte, zu den verschiedenen sanitären Einrichtungen
    - ein Luxus, den man erst richtig würdigen konnte, wenn man schon einmal über einem maghrebinischen Plumpsklo hockend seiner Amöbenruhr freien Lauf gelassen hatte. Indem sie einen möglichst großen Anteil ihrer Abfälle recycelten und ihre Abwässer zwecks Weiterverwertung als Dünger und Brennstoff in entsprechenden Tanks sammelten, bewahrten sich die Bewohner von New Bedford-Stuyvesant eine relative Unabhängigkeit vom städtischen Kanalisationssystem, was im Zeitalter der May-Teams alles andere als eine schlechte Idee war.
    Und dann gab es natürlich die Kuppel. Buckminster Füllers Ideen waren in Rabat oder Tanger zwar noch immer böhmische Dörfer, aber New Bedford-Stuyvesant lag sicher und geborgen unter einer Geodätischen Kuppel. Die einzelnen dreieckigen
    Felder der Konstruktion waren durchsichtige Solarzellen, so daß die Kuppel an langen Sonnentagen genug Elektrizität erzeugte, um die zentrale Klimakontrollanlage zu betreiben und bis zu vierzig Prozent des bescheidenen Energiebedarfs der Einwohner zu decken. An bewölkten Tagen war's natürlich eine andere Sache, aber selbst im verregnetsten März verbrauchte das gesamte Viertel erheblich weniger Fremdenergie als ein einzelner Superwolkenkratzer. Bequemer zu begehen war es allemal und, wie Lexa fand, auch bedeutend hübscher.
    Ethnisch stellte das Viertel einen bunten Mischmasch dar, wofür nicht zuletzt die niedrigen Mieten verantwortlich waren, die Wohlhabende und Supra-Arme zu Türnachbarn machten. Zerlumpte Uberlebende US-amerikanischer außenpolitischer Eskapaden in Syrien und El Salvador wohnten in derselben Straße wie ehemalige gekrönte Häupter aus Bahrain und Katar; reiche Türken, Vietnamesen und Puertoricaner feilschten auf dem Bed-Stuy-Basar mit kambodschanischen und afghanischen Straßenhändlern. Anglos waren vergleichsweise dünn gesät; Weiße Liberale mieden das Viertel in der Annahme, die vielen arabischen Einwohner würden Frauen oder jüdische Nachbarn unterdrücken, während weiße Konservative befürchteten, gekidnappt oder in die Luft gesprengt zu werden. Sie machten also alle einen weiten Bogen um New Bedford-Stuyvesant und kauften sich statt dessen Eigentumswohnungen in Richmond.
    Schwarze gab es im Viertel (wenn man von Lexas Tochter Rabi absah, die fast jeder für eine Australierin hielt) keine - jedenfalls keine afrikanischer Abstammung. Man ging allgemein davon aus, daß es östlich des Mississippi keinen einzigen Afroamerikaner mehr gab und daß die wenigen, die von der Seuche verschont geblieben waren, in befestigten Lagern in den Rocky Mountains lebten. Lexa wußte es diesbezüglich zwar ein bißchen besser, aber es stimmte schon, daß das »afrikanischste« Gesicht, dem man in New Bedford-Stuyvesant aller Wahrscheinlichkeit nach begegnen würde, Bluey Kapirigi gehörte, einer australischen Ureinwohnerin, die nach Amerika gekommen war, um die Hauptrolle in verschiedenen Filmen und Miniserien zu übernehmen. Bluey wies eine so große Ähnlichkeit mit der verblichenen Rosa Parks auf, wie man von einer schwarzen
    Australierin nur erwarten kann, und flog zweimal im Jahr nach Montgomery, Alabama, um sich dabei filmen zu lassen, wie sie sich weigerte, im Bus ihren Sitzplatz einem Weißen zu überlassen; durch diese einzige Rolle, die sie immer und immer wieder spielte, hatte sie es im ganzen Land zu solchem Ruhm gebracht, daß sie ins Weiße Haus eingeladen worden war und der Bürgermeister von Montgomery ihr die Schlüssel der Stadt ausgehändigt hatte.
    Ein kurzer Spaziergang durch den Basar brachte Lexa zur An-tiatlas-Moschee, wo sie immer ihr Auto parkte. Der Imam saß auf den Eingangsstufen der Moschee und verzehrte einen verspäteten Lunch; als er Lexa kommen sah, hob er eine Hand.
    »Hi, Chef«, sagte Lexa, während sie

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