G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
Stadtbücherei aufgehalten worden, diesmal von einem Hausmeister, der behauptet hatte, sein Elektro-Scooter sei in seine Einzelteile zerlegt und von zwei glühenden Fangarmen durch eine Regenabflußöffnung hinuntergezerrt worden. Der Hausmeister hatte wissen wollen, ob die Stadt ihn für den Verlust des Scooters, der nicht versichert war, entschädigen würde; der Streifenwagenfahrer hatte ihm versichert, er habe nicht alle Tassen im Schrank, und hatte der Nachtbereitschaft der Abwässerbehörde einen Bericht vom Zwischenfall durchgegeben.
Jetzt kam der Streifenwagen sanft vor einem U-Bahn-Eingang zum Stehen, und der Fahrer sagte: »Okay, Powell, Fußstreife. Um sieben Uhr sammel ich dich hier wieder ein.«
Powell lächelte und ballte die Faust zum Arbeiterkampfgruß. »Solidarität, Mann!« sagte er.
Er stieg aus und suchte den Bürgersteig nach Verbrechern und Falschparkern ab, während der Streifenwagen davonfuhr. Da er überirdisch keine Kriminellen ausmachen konnte, stieg Powell zur U-Bahn-Station hinunter; auf der Treppe kamen ihm zwei mißtrauische schwedische Touristen entgegen, und er tippte an seine Mütze. Unten sah er eine Frau, die hinter der ersten Reihe von Drehkreuzen auf dem Boden zusammengerollt schlief. Sie war eine ehemalige Hubschrauberpilotin, eine Veteranin des Syrischen Eindämmungskrieges von 09. Sie hatte Elek-tro-FIände, wovon die eine ziemlich übel zugerichtet war, und ihr klaffender Mund offenbarte einen mit falschen Zähnen gespickten Unterkiefer - Porzellanprothesen von der Art, wie Powell selbst welche trug.
Powell schlich sich, sein freundliches Polizistenlächeln auf den Lippen, an sie heran und lud derweil die in seiner rechten Handfläche verborgene Metallscheibe für einen minimalen Stromstoß auf - vergleichbar etwa der elektrostatischen Entladung eines Kamms, den man energisch an einem Angorapull-over gerieben hat; dann packte er die Stadtstreicherin am nackten Fußknöchel und riß sie aus Morpheus' Armen. Sie richtete sich ruckartig auf, die E-Hände abwehrbereit erhoben, und stieß beim Anblick von Powells tief zu ihr herabgebeugtem Gesicht einen Schrei aus.
»Jetzt gehn Se mal weiter«, sagte er in freundlichem Ton. Sie rappelte sich hoch und rannte davon, nicht ohne sich in der Eile eine Schulter an einem eisernen Stützpfeiler anzuknacksen. Ein munteres Liedchen pfeifend, setzte Powell 617 seinen Rundgang fort.
Nachts waren in dem Labyrinth von Fußgängertunnels und Bahnsteigen, die die Times-Square-Station ausmachten, achtzehn Elektrische Offtcer unterwegs, und zwar immer auf regellos wechselnden Routen, um es potentiellen Straftätern unmöglich zu machen, ihre Bewegungen vorauszuberechnen. Menschliche Bullen machten auch Streifengänge oder warteten darauf, daß man sie zu einer Festnahme irgendwohin abkommandierte, während eine Sicherheitskoordinatorin darüber
Buch führte, wo sich jeder jeweils gerade aufhielt. Oder es jedenfalls versuchte; der Bahnhof war riesig und seine Tunnel verschlungen, und trotz regelmäßiger Kontrollen neigten besonders die Elektro-Polizisten dazu, auf Abwege zu geraten. Niemand machte sich allzu große Sorgen um sie, wenn es mal passierte.
Powell 617 sah den Alligator, als er ungefähr die Hälfte seiner ersten Runde hinter sich gebracht hatte. Er befand sich auf der untersten Ebene des Bahnhofs und schlenderte gerade einen Zickzackkorridor entlang, als er einen weißen lederartigen Schwanz erspähte, der weiter den Gang hinunter um eine Ecke verschwand. Daß tierische Mutanten in das U-Bahn-Netz eindrangen, kam überraschend selten vor, und Powells praktische Kenntnisse (größtenteils ab Werk in Form von ROM-Modulen vorinstalliert) schlossen die Taxonomie der Kanalisationsfauna nicht ein, also konnte er einen Albino-Alligator lediglich als Grosse Ratte oder Entlaufenes Haustier klassifizieren; und keines von beiden machte es erforderlich, daß er nach Verstärkung rief. Er beschleunigte lediglich seinen Schritt und folgte dem Schwanz um drei weitere Ecken, bis sich der Tunnel gabelte. Dort schlüpfte der Alligator, bevor Powell ihn fangen konnte, unter einer Gittertür durch.
Das Eisengatter war abgeschlossen und orange vor Rost. Auf einem Schild stand: Zutritt verboten - Städtische Verkehrsbetriebe. Der darunter angebrachte - für den menschlichen Beobachter bedeutungslose - Balkenkodestreifen teilte Powell mit, daß sich hinter der Absperrung nichts Gefährliches befand, weder Dampfrohre noch Stromkabel, nur wertvolles
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