G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
Traktätchen war schon ein halbes Jahrzehnt in Umlauf, bevor ich auch nur davon hörte. Es dauerte weitere fünf Jahre, bis ich meine erste Suffragette kennenlernte, die Tochter einer Freundin einer Freundin von Susan B. Anthony. Wir haben uns in Manhattan zum Lunch getroffen, muß Frühjahr neunzehnfünf gewesen sein.
Ich bin natürlich in voller Montur aufgekreuzt - schien mir irgendwie passend. Paffte dazu eine dicke Havanna, was keinen günstigen ersten Eindruck machte. Nachdem ich aber den Stumpen weggeschmissen hatte, sind wir bei Tee und Gebäck ganz gut miteinander ausgekommen. Während der Suppe habe ich dann angefangen, meine Einwände gegen die vorliegende Kite-Edmonds-Biographie zu äußern, wovon Nummer eins war, daß nichts von dem, was ich je getan hatte, als Demonstration vollberechtigten Frauentums< gedacht gewesen war. Hosen angezogen habe ich für eine einzige Frau - mich -, und in die Armee bin ich eingetreten, weil ich keine Ahnung hatte, wohin ich mich hätte wenden können, um auf Fanny Campbeils Piratenschiff anzuheuern. Der Krieg war mein Abenteuer, meine Flucht vor einer langweiligen Zukunft als Frau irgendeines Kartoffel-bauern; ich pfiff auf edlere Motive, ich wollte mich einfach nur gut amüsieren, und zwar nicht als emanzipierte Frau, sondern als Kerl. Deswegen kam's mir irgendwie nicht fair vor, daß man mich als Radikale hinstellte.«
»War die Suffragette enttäuscht?« fragte Joan.
»Enttäuscht wäre nicht das richtige Wort. Erinner dich - oder versuch, dir vorzustellen -, daß utopische Ideale damals noch nicht der große Ulk waren, zu dem sie mittlerweile geworden sind. So vieles war für die Welt noch neu: die Technik mit all ihren Verheißungen und dann die ganzen gesellschaftlichen Experimente, die man noch gar nicht ausgetestet hatte - Kommunismus, Temperenz, der Esperanto-Traum von Einheit und Brüderlichkeit durch eine gemeinsame Weltsprache. Es war damals noch leicht, an die wunderbare Veränderbarkeit des Menschen zu glauben, damals, bevor die Weltkriege den größten Teil dieser Unschuld ein für allemal erledigten. Die Suffragetten hatten nie damit argumentiert, die Frauen sollten aus Gründen der Gleichberechtigung das Wahlrecht erhalten; sie behaupteten, die Frauen seien den Männern überlegen und sie würden nicht bloß die Anzahl der Wahlzettel verdoppeln, sondern die Politik, ja die Gesellschaft als Ganzes, moralisch veredeln und zu neuen, ungeahnten Höhen hinanziehen. Wer konnte es schon wissen? Die Männer hatten, solange sie an der Macht waren, so herumgepfuscht, daß es vollkommen logisch erschien anzunehmen, die Frauen würden die Sache besser machen.
Da war ich also, die Stimme der praktischen Erfahrung, spachtelte die Hühnchenpastete weg und schilderte, wodurch sich eine echte Frau im Krieg von Männern unterschieden hatte - nämlich durch gar nichts. Ich gestand, was für ein mittelmäßiger Sanitäter ich trotz meiner angeborenen Pflegeinstinkte gewesen war; Tatsache ist, daß ich mit einer Kanone viel besser umgehen konnte als mit Verbandmull. Ich erzählte ihr von den Männern, die ich getötet hatte, und den Männern, die ich um mich herum hatte sterben sehen, und daß meine weibliche Aura das entsetzliche Grauen des Ganzen um keinen Deut verringert hatte. Leider ist das, was den Krieg so schrecklich macht, nicht die Tatsache, daß die Soldaten Männer, sondern daß die Männer Soldaten sind. Nimm ruhig weibliche Soldaten - oder Politiker oder Diplomaten -, der Krieg bleibt doch, wie er ist. Nur die Uniformen werden an den Hüften etwas weiter.
Naja, ich plapper also weiter in dem Sinn, laß keinen einzigen Kanonenschuß oder Bajonettstich aus, und wie wir beim Dessert angelangt sind - einem wirklich leckeren preußischen Käsekuchen übrigens war meine Suffragette kreidebleich. >Wenn das, was Sie sagen, wahr ist<, sagte sie, >dann gibt es keinerlei Hoffnung für die Zukunft.< Worauf ich antwortete: >Gibt es doch, Ma'am. Der Krieg ist, allen entgegengesetzten Absichten zum Trotz, die Hölle, und es wäre nicht recht, das zu bestreiten, aber der Krieg ist zu Ende.< Worauf sie erwiderte: >Was ist dadurch schon gewonnen? Es wird weitere Kriege geben; das war ja auch nicht der erste. < Und ich sagte: >Ja, Ma'am, das stimmt natürlich, es wird weitere Kriege.geben, aber nickt sofort; und wenn sie kommen, habe ich nicht vor mitzukämpfen^ Und sie sagte: >Aber andere werden kämpfen. Noch ein Krieg und noch ein Krieg und noch ein Krieg< - ich geb zu,
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