G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
sie war diesbezüglich realistischer, als ich es damals war - >und noch ein Krieg, und jeder bringt mehr Leid und mehr Tod. Und wenn wir diesen Teufelskreis nicht durchbrechen können, wenn wir nicht darauf vertrauen können, daß die Frau die grundsätzliche Natur unserer Wirklichkeit verändern kann, dann frage ich Sie: Was für eine Hoffnung bleibt uns dann?<«
»Und du hast gesagt?«
»Ich habe gesagt, jetzt wär's Zeit, die Rechnung zu bezahlen, die ganze Temperenzlerei zu vergessen und sich einen Whiskey zu genehmigen. Ich hab sie zu einer Patriotenbar, die ich kannte, mitgenommen, dem Betsy Ross Saloon, auf der Hudson Street. Einlaß nur für Herren, offiziell, aber der Rausschmeißer und der Barkeeper wußten, daß ich Kriegsteilnehmerin war, also hatten wir da so ne Abmachung. Zwei Fingerbreit Jim Beam, und meine Suffragette hatte ihre ursprüngliche Farbe zurück; drei Fingerbreit, und sie war bereit, eine von meinen Zigarren zu probieren. Von da sind wir rüber zum Washington Square, beide sturzbetrunken, und so'n halbstarker Bulle versuchte, uns wegen ärgerniserregenden und, in meinem Fall, öffentlich unzüchtigen Verhaltens festzunehmen; also haben wir ihm seinen Schlagstock abgenommen und ihn, den Bullen, nicht den Stock, in einen Brunnen geschmissen. Worauf meine Suffragette meinte, vielleicht bestünde ja doch noch ein wenig Hoffnung für die Zukunft.«
»Hast du ihre Frage irgendwann auch direkt beantwortet?« fragte Joan.
»Verbal, meinst du? Na ja«, sagte Kite, »man kann jemandem seinen Pessimismus nicht dadurch ausreden, daß man Gut und Böse säuberlich links und rechts aufeinanderstapelt, damit man sieht, wovon mehr da ist. Hoffnung ist eine Entscheidung, kein Rechenergebnis; du kannst soviel davon haben, wie du gottverdammt Lust hast zu haben, egal, wie die Umstände sind. Aber wenn du versuchst, das jemandem, der schlecht drauf ist, einfach so zu erklären, hält der - oder die - dich für eine Klugscheißerin und schmeißt dir vielleicht sogar einen harten Gegenstand an den Kopf. Da ist es schon besser, diplomatisch vorzugehen.«
»Die Betreffende betrunken zu machen«, sagte Joan. »Einen Polizisten ins Wasser zu schmeißen.«
»Das ist eine Methode. Sie hat funktioniert.«
»Was war mit der Bemerkung deiner Suffragette, es würde immer einen nächsten Krieg geben? Hast du ihr diesbezüglich noch etwas gesagt?«
Kite zuckte die Schultern. »Gab nicht mehr viel zu sagen, nachdem ich erst mal das Selbstverständliche gesagt hatte. Sie hatte recht. Es gibt immer einen nächsten Krieg. Glücklicherweise gibt's auch immer einen nächsten Frieden.«
»Und du bist nicht der Meinung, daß diese ewige Wiederkehr des Krieges den Frieden sinnlos macht?«
»Gütiger Gott«, sagte Kite. »Du etwa?«
»Nein«, sagte Joan. »Ich würd nur gern wissen, was du darüber denkst.«
»Wenn du von mir wissen willst, ob ich der Meinung bin, ein vorübergehender Frieden sei bedeutungslos, dann lautet die Antwort nein; ich glaube nicht, daß irgendjemand, der den Krieg am eigenen Leib erlebt hat, auch nur fünf Minuten Frieden bedeutungslos fände. Aber sinnlos .. . ich bin mir nicht so sicher, ob überhaupt etwas einen Sinn hat, bevor wir Menschen beschließen, ihm einen zu geben. Deswegen ist Hoffnung auch eher eine Möglichkeit als eine Pflicht. Ich glaube, wir Menschen haben das angeborene Bedürfnis, alles, was uns widerfährt, zu erklären - und nicht einfach bloß wissenschaftlich zu erklären, sondern ihm tatsächlich eine Bedeutung zu verleihen, eine Art Rahmengeschichte zusammenzubasteln, an der wir es aufhängen können; und ich glaube, daß jeder und jede von uns eine große Auswahl an möglichen Rahmengeschichten hat. Ich glaube allerdings auch, daß manche Erfahrungen so überwältigend sind, daß sie jeden Versuch, sie in einen Sinn zu fassen, vereiteln, und das sind die Erfahrungen, die uns in den Wahnsinn treiben.«
»Wie das, was Maxwell passiert ist«, sagte Joan.
»Wie das, was mir passiert ist.« Kite wedelte mit ihrem Stumpf. »Die erste Frage, die du dir da stellst - die allererste Frage, selbst noch vor >Werd ich's überleben?« -, ist: > Warum? Warum muß mir das passieren? <«
»Sieht so aus, als hättest du eine bessere Antwort als Maxwell gefunden.«
»Nein«, sagte Kite. »Ich hab lediglich festgestellt, daß ich auch ohne eine Antwort weiterleben konnte. Maxwell ist noch immer auf der Suche.«
»Aber deine Suffragette«, sagte Joan. »So traumatisch kann es für
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