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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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weiße Fahne.
    Die Menge wich vor seiner Kapitulation auseinander. Gant schritt durch die Gasse, die sich vor ihm auftat, und erklomm eine gigantische Kunst-am-Bau-Plastilc, die sich im Mittelpunkt des westlichen Minarettvorplatzes erhob: eine Pyramide aus oxydiertem Metall mit einer riesigen, offen nach oben zeigenden Hand auf ihrer Spitze. Dort stellte er sich hin, ein Mann, allein an hoher Stelle - nur nicht allein: umgeben von hunderttausend Augenzeugen, von CNN-Telekameras, die jede seiner Bewegungen an hundert Millionen weitere übermittelten. Für sein ganzes Publikum klar zu sehen, hob Harry Gant eine blaue Mappe in die Höhe - die blaue Mappe - und riß sie entzwei.
    Der Jubel der Demonstranten war meilenweit zu hören. Ellen Leeuwenhoek schoß eine Serie Bilder von Gants Kapitulation, während Lexa Thatcher sich an ihren Gefährten des Tages ranmachte, einen süßen georgischen Jungen namens Comfort. Schwester Ellen Fine, die trotz des galoppierenden Lungenkrebses, an dem sie schon in sehr absehbarer Zeit sterben würde, nach Atlanta gekommen war, war fast zu Tränen gerührt. »Ach Joanie«, sagte sie, »wenn wir in Rom auch nur halb soviel Leute gehabt hätten ...«
    Joan pfiff und jubelte wie alle anderen, aber ihr Mißtrauen gegen Harry, den sie ganz ehrlich nicht für so leicht zu besiegen hielt, war damit keineswegs zerstreut. Unternehmer gaben nie so schnell nach, jedenfalls nicht, wenn es um so hohe Profite ging. Als die Jubelrufe soweit nachgelassen hatten, daß Gant zur Menge sprechen konnte - also eine Viertelstunde später -, lauschte Joan aufmerksam seinen Worten, sicher, daß früher oder später der versteckte Haken zum Vorschein kommen würde.
    Gant sprach in ein Ansteckmikro; auf dem Dach des Minaretts montierte Lautsprecher trugen seine Stimme mehrere Häuserblocks weit in alle Richtungen. Er begann mit einem Schuldbekenntnis. Es sei unmoralisch, sagte er, und schlicht und einfach falsch gewesen, das Nigeria-Deponie-Projekt auch nur in Erwägung zu ziehen. Er könne nichts zu seiner Entschuldigung oder Rechtfertigung vorbringen, noch erwarte er, daß die Öffentlichkeit eine solche Entschuldigung akzeptieren würde; Er könne nur soviel sagen, daß Gant Industries durch den wenige Wochen zurückliegenden Tod seines Geschäftspartners, Christan Gomez, an einen Scheideweg gelangt sei, an eine Schwelle zu Veränderung und Reorganisation, und die heutige Protestkundgebung habe ihm, Gant, zu der Einsicht verholfen, daß diese Veränderung einer starken ethischen Komponente bedürfe. Daher beabsichtige er, in der Firma ein neues Beratergremium zu bilden. Diese »Abteilung für Öffentliche Dienste« (oder »Öffentliche Meinung«; was den Namen anging, schwankte er noch) würde die ökologischen und sozialen Auswirkungen aller künftigen Projekte von Gant Industries überprüfen und dem Gant-Management aufklärend, informierend und - wenn nötig - rügend zur Seite stehen.
    »Genau«, sagte Joan. Vom Fuß der Pyramide aus brüllte sie: »Und wer wird diese neue Abteilung leiten, Plarry? Der Vorstandsvorsitzende der Dutch Shell?«
    Joan hatte kein Mikrophon, aber Harry hörte sie und wiederholte in seiner Erwiderung ihre Worte: »Ms. Joan Fine, die mir -gut für sie - nicht traut, hat gerade eine sehr wichtige Frage gestellt. Sie möchte wissen, wer mit der Leitung dieser neuen Abteilung, die ich einzurichten gedenke, betraut werden wird. Ich erkläre es jetzt in aller Form, und wenn Sie später herausfinden sollten, daß ich gelogen habe, dann erwarte ich von Ihnen, daß Sie Washington anrufen und einen Untersuchungsausschuß auf mich ansetzen: Die Umwelt- und Sozialpolitik von Gant Industries wird weder von Shell Petroleum noch von den freundlichen, aber leicht befangenen Burschen von Union Carbide, De Beers Mineral oder IG Farben AG bestimmt werden.
    Wie ich die Sache sehe, gibt es nur zwei Menschen, die eine hinlängliche Glaubwürdigkeit besitzen, um als mein neues Gewissen fungieren zu können. Robert Redford weilt leider nicht mehr unter uns. Damit bleibst du übrig, Joan.« Der Mann, allein an hoher Stelle, sah hinunter zum Fuß der Pyramide und lächelte. »Joan Fine wird die neue Regulatorin der Öffentlichen Dienste bei Gant Industries sein. Sie wird ihre Arbeit aufnehmen, wann immer sie will,- und ein Gehalt beziehen, dessen
    Höhe inklusive sämtlicher Zusatzleistungen und Vergünstigungen hinlänglich gering sein soll, um jedem klarzumachen, daß sie nicht gekauft wird; und wenn sie

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