G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
Erdbeben?«
»Ich würde es nicht unbedingt Liebe nennen ...«
»Sicher, aber damit wollte ich nur sagen, daß Sie eine starke Neigung zu -«
»Meine Neigung«, unterbrach ihn Peller, »meine Anteilnahme, mein wirkliches Chronisteninteresse gilt... gilt dieser Generation ... womit ich sowohl die Menschen meine, die gegenwärtig das Erwachsenenalter erreichen, als auch meine eigene Generation, die Generation, die um die Jahrtausendwende erwachsen wurde. Und die eine verlorene Generation ist. «
»Welche, Ihre Generation oder die gegenwärtige?«
»Meine ... das heißt, beide ... das heißt, es ist alles verloren, es wird andauernd verlorener. Wenn ich ein Geistlicher wäre statt ein Mann der Feder, wäre ich wahrscheinlich irgendwo draußen in der Wüste und würde von den Letzten Tagen predigen.«
»Ah«, Xander nickte wissend. »Die Apokalypse.«
»Genau, die Apokalypse. Ich glaube, die Apokalypse spricht uns - mit >uns< meine ich die verlorene Generation, ¿«¿de verlorenen Generationen, alle verlorenen Menschen -, sie spricht uns so an, wie nichts sonst uns anzusprechen vermag. Ich erinnere mich an die Trostlosigkeit meiner Collegejahre, unter solch einem schrecklichen Schatten zum Manne zu reifen ...«
»Die Zeit nach der Pandemie. Der Afrika- und der Syrienkrieg.«
»Ja, klar, natürlich, das auch, obwohl, was ich in erster Linie meine, ist das übermächtige Gefühl des Ennui, das mich und meine Studienkameraden in Bennington niederdrückte. All unser Geld und all unsere Privilegien konnten uns kein Heilmittel gegen unseren grundsätzlichen Lebensüberdruß verschaffen -einen Überdruß, der das vielleicht schlimmste Unglück überhaupt war und ist.«
»Sie haben ja so recht«, pflichtete ihm Xander bei. »>AI1 dress-ed up and no place to go.< Ich kann mir keinen tragischeren Gemütszustand vorstellen.«
»Nein. Ich auch nicht.«
»Kite?« sagte Joan.
»Hmm?«
»Ist dir nie danach, jede Hoffnung für die Menschheit aufzugeben?«
»Zyklisch.« Kite sah von ihrem Buch auf. »Aber dann fällt mir wieder ein, wie viele verlorene Generationen ich erlebt habe, die es trotz ihrem maßlosen Selbstmitleid doch noch zu was gebracht haben, und die Wirklichkeit rückt plötzlich wieder in die richtige Perspektive.« Sie sah mit zusammengekniffenen Augen zum Bildschirm. »Er ist ein fettes kleines Backenhörnchen, nicht?«
»Ein oberfettes«, bestätigte Joan.
»Hoffnung«, wiederholte Kite und nahm einen Schluck Rum. »Eine Frauenrechtlerin hat mich mal über dieses Thema ausgefragt. Hab ich dir das schon erzählt, wie die Suffragetten versucht haben, eine Heldin aus mir zu machen?«
»Nein. Wirklich?«
»So wahr mir Gott helfe. Wollten mich als Frauenwahlrechts-Aushängemädchen.« Kite starrte an die Decke und rezitierte, als läse sie von einem alten Flugblatt ab: »>Sarah Emma ,Kite' Ed-monds, geboren im Kirchspiel Prince William, New Brunswick, bekam zu ihrem dreizehnten Geburtstag von ihrer Mutter M. M. Ballous Fanny Campbell, die Piratenkapitänin geschenkt. Dieses harmlose Geschenk - der erste Roman, den die junge Sarah bis dahin gelesen hatte, und ausschließlich dafür gedacht, ihr die Zeit auf angenehme Weise zu vertreiben - inspirierte sie so, daß sie sich das Haar schnitt, männliche Kleidung anlegte und sich dann, unter dem angenommenen Namen Frank Thompson, nach Süden aufmachte, um in den Vereinigten Staaten ihr Glück als Mann zu suchen. Als ein solcher fand sie auch Arbeit, erst als reisender Bibelverkäufer im Staate Connecticut, dann, in Flint, Michigan, als etwas weniger spezialisierter Händler in schöner Literatur. Eben in Flint vernahm sie auch den Ruf ihres neuen Vaterlands und trat, in dessen Stunde der Not, der Unionsarmee vom Potomac bei, wo sie als Sanitäter und Infanterist diente und während der ganzen Dauer des vierjährigen Konflikts durch ihr "Verhalten die Leistungsfähigkeit und den kultivierenden Einfluß wahrhaft vollberechtigten Frauentums unter Beweis stellten Et cetera pp.« Kite schmunzelte. »Diese neuenglischen Frauenrechtlerinnen, Joan, die haben eine vollständige Biographie von mir geschrieben - vom Umfang einer Broschüre -, ohne ein einziges Mal mit mir Rücksprache gehalten zu haben. Haben mich zu ner richtigen Heiligen hochstilisiert, was man ohne ausdrückliche Erlaubnis der Betroffenen eigentlich wirklich nicht tun sollte. Wie 's der Zufall wollte, war ich zu der Zeit in Sonora, postalisch nicht erreichbar und offiziell vermißt, und dieses
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