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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Rettungsteams? Kein Toilettenpapier?« »Jetzt komm schon.«
    Von den drei Waldhütern, die Dienst taten, wollte nur einer Englisch können. Er war soweit ganz nett, auch wenn er davon ausging, Joan und Harry seien miteinander verheiratet. »Ihr Mann sieht nervös aus«, sagte er zu Joan.
    »Das liegt daran, daß er nervös ist«, erwiderte Joan. »Er ist ein Stadtmensch. Er hat noch nie einen Elch gesehen.«
    »Elch?« sagte Harry. »Die haben hier Elche?«
    Die zwei Waldhüter, die »kein Englisch sprachen«, fanden das komisch. Sie fingen an, wüste Tierlaute auszustoßen und obskure französische Wörter wie »loup« und »ours« vor sich hin zu murmeln, die Gant alles andere als beruhigend fand. Der freundliche Aufseher durchsuchte derweil beide Rucksäcke nach Konterbande und überprüfte anhand einer Farbtafel, ob auch alle mitgenommenen Kleidungsstücke den Vorschriften entsprachen: denn sogar unnatürliche Farbtöne, wie das grelle Orange von Sicherheitswesten, waren hier verboten. Als er die Inspektion abgeschlossen hatte, ließ er Joan und Harry eine internationale Haftungssausschlußerklärung unterzeichnen. »Tragen Sie das Datum Ihrer voraussichtlichen Rückkehr ein«, sagte er, »und den Namen des nächsten Angehörigen, den wir benachrichtigen können, falls Sie sich um mehr als eine Saison verspäten. Und lassen Sie Ihre Wagenschlüssel da.«
    »Keine Landkarte?« sagte Harry, als sie ihre Rucksäcke geschultert und die Kiefernzeile durchquert hatten. »Keinen Kompaß? Nicht, daß ich so was schon jemals gemacht hätte, aber ist es auf die Art nicht ganz schön leicht, sich zu verlaufen?«
    »Man muß sich seine Merkzeichen sehr sorgfältig aussuchen«, bestätigte Joan. »Und darf sich nicht zu weit hineinwagen, wenn man nicht weiß, wie man mit einem Minimum an - dazu noch primitivsten - Hilfsmitteln überlebt. Was bedeutet, daß der größte Teil des Gebietes de facto für Touristen gesperrt ist, und das ist auch ganz im Sinne des Erfinders. Wenn man ein Wochenend-Camper ist und nur mal eben einen schnellen unverbindlichen Flirt mit Mutter Natur sucht, fährt man nach La Mauricie oder Mont Tremblant; das ist nicht so weit von den Großstädten, und es gibt öffentliche Klos.«
    »Aber du bist schon mal hier gewesen. Ich meine - du kennst dich hier doch aus, nicht?«
    »Ich war einmal mit Lexa Thatcher und ihrer Freundin Ellen hier. Muß 02 oder um den Dreh gewesen sein, auf alle Fälle vor der Pandemie. Wir haben uns verlaufen, und beinah wären uns die Lebensmittel ausgegangen, aber wir haben Wölfe zu sehen bekommen, dafür haben wir gern alles andere in Kauf genommen. Ja, Wölfe, und guck nicht so schreckhaft. Folg einfach dem Bach und halt die Augen offen, wir kriegen noch ein paar gute Dinge zu sehen.«
    Er hielt, und sie kriegten. Für den Anfang einen Fuchs; dann einen friedlichen Baumstachler, der auf dem Stumpf einer Blitztanne hockte; zwei Ottern im Bach; und einige Zeit später einen Schwarzbären, der sich zu Gants Verblüffung nicht als angriffslustig, sondern als schlicht desinteressiert erwies. Er trat aus einer Lücke zwischen zwei Kiefern hervor, wandte die Schnauze kurz den zwei Menschen zu, als wollte er ihre Absichten wittern, und stapfte weiter seines Weges, ohne anzuhalten.
    »Ha«, sagte Gant, nur eine Spur blasser als normal. »Das istn ours?«
    »Das istn ours.«.
    »Ha. Schau einer an.«
    Gegen Abend stieg das Land zu ihrer Rechten allmählich an und bildete eine gepunktete Linie von Hügeln entlang dem Wasserlauf. Joan machte am Fuß eines dieser Hügel einen auffälligen natürlichen Steinhaufen aus und nickte, als sie ihn wiedererkannte. Sie zupfte Gant am Ärmel. »Schauen wir mal nach, ob sie noch immer da oben steht.«
    »Ob wer immer noch wo oben steht?«
    »Geh mir einfach nach«, sagte Joan und platschte durch den Bach.
    Der Hügel hinter dem Steinhaufen war die steilste Erhebung, die Harry Gant je ohne Zuhilfenahme einer Treppe oder Rolltreppe bewältigt hatte, und solange er lebte, würde er sich an diese seine erste und letzte bergsteigerische Erfahrung erinnern, seinen privaten Mount Everest; die bescheidene 30-Meter-Besteigung raubte ihm die letzte Puste und beschenkte ihn mit dem stolzen Bewußtsein eines Gipfelbezwingers. Joan ihrerseits klatschte in die Hände, als sie oben anlangte und feststellte, daß sie sich richtig erinnert hatte: Direkt auf der Hügelkuppe stand eine verlassene Einraum-Jagdhütte, nicht mehr als ein Kabuff eigentlich, aber mit

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