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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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eine kurze Berechnung durch und sprach weiter: „In einem solchen Hirn würden die Galaxis den Nervenzellen und die Lichtstrahlen den Nervenimpulsen entsprechen. Um auch nur einen ganz einfachen Gedanken, sagen wir ,ich bin‘, zu fassen, würde es mehr als hundert Trillionen Jahre brauchen … Ich glaube kaum, daß man solch ein langsames Denken mit Genialität vereinbaren kann.“
    Alle lachten, nur Callarla schien enttäuscht zu sein. „Es ist also unmöglich“, sagte sie. „Wie schade…“
    Bereits seit einiger Zeit war mir, als dringe ein fernes, tiefes, drohendes Murren in den Saal. Ich hatte es aber nicht beachtet. Als nach Callarlas Worten Stille eintrat, war das dumpfe Dröhnen deutlicher vernehmbar. Es schwoll ungleichmäßig an, als käme es aus der Tiefe. Dann rollten ein, zwei Donnerschläge durch den Saal. Der Boden unter unseren Füßen begann zu beben. Alle sprangen auf. Die Blicke richteten sich auf die weit geöffneten Türen der Terrasse. Aus der kühlen, windigen Dunkelheit kam nun ein ununterbrochenes Knattern und Krachen.
    „Oh, dort geschieht etwas Interessantes“, sagte Goobar und ging auf die Terrasse hinaus. Wir folgten ihm. Die Finsternis war so tief, so undurchdringlich, daß sie wie eine unsichtbare Last unsere Gesichter und Körper zusammenzudrängen, niederzudrücken schien. Am Horizont leuchtete roter Feuerschein auf. Plötzlich zeichnete sich der Kegel des Vulkans deutlich auf dem nachtschwarzen Hintergrund ab. Eine Flamme schoß aus ihm hoch. Ich vernahm ein dumpfes Poltern und fühlte, daß sogar die steinernen Platten der Terrasse zitterten. Der Vulkan spie Feuer und Rauch. Eine geballte, von Blitzen durchzuckte Wolke hing über ihm. Unaufhörlich dröhnte der Donner. Auf einmal durchriß ein scharfes Zischen diese tiefen, grollenden Töne. Aus dem Ozean erhoben sich glühende Dampfwolken, wie Berghänge, die aus dem Wasser aufsteigen. Feurige Lavaströme ergossen sich in die Fluten.
    Lange Zeit schwiegen wir, in den Anblick versunken, dann wurden begeisterte Ausrufe laut: „Wunderbar!“ – „Großartig!“ – „Merkt ihr, wie alles bebt?“ – „Wer ist auf die Idee gekommen?“ – „Wer anders als Yrjöla!“
    Yrjöla wurde gesucht und herbeigeholt. Dutzende Hände klopften ihm anerkennend auf die Schulter. Er wehrte sich und erklärte, er habe nichts damit zu tun. „Es kommt doch vor, daß Vulkane wieder in Tätigkeit treten“, sagte er.
    Inzwischen war die Glut höher gestiegen. Über den Flammen zuckten und schlängelten sich als grelle Blitze die feurigen Bahnen der ausgespienen, glühenden Steine. Über unseren Köpfen fauchte es durchdringend.
    „Wir wollen machen, daß wir fortkommen!“ rief plötzlich eine jugendliche Stimme. „Ihr kennt die Videoplastiker noch nicht! Um die Wirkung zu erhöhen, sind sie imstande, einen Schwefelregen auf uns niedergehen zu lassen!“
    Alle lachten. Der Vulkan tobte so laut, daß wir uns kaum verständigen konnten.
    Schließlich wandte sich Ter Akonian an die Videoplastiker und bat sie im Namen aller, die Maschinen abzustellen. Nach einigem Hin und Her waren sie einverstanden. Der künstliche Vulkanausbruch wurde schwächer und hörte endlich ganz auf.
    Wir kehrten in den Saal zurück. Die Gruppen, die sich zuvor gebildet hatten, zerstreuten sich. Manche riefen Automaten herbei, versammelten sich um die schimmernden Gestalten und hoben Kelche mit perlendem Wein an die Lippen. Andere ließen sich in den Sesseln unter der Palme nieder und beschäftigten sich mit einem Gesellschaftsspiel. Da und dort wurde ein Lied angestimmt. Auf einmal stieg eine Menge leuchtender Ballons auf und flog durch den Saal. Ich schlenderte unentschlossen an den Tisch, an dem die Piloten unter Ametas Anleitung ein kompliziertes Fernsehsystem für das Spiel „Die Verfolgung der Rakete“ aufbauten. Endlich wandte ich mich den Vitrinen an der Saalwand zu. Die riesigen, aus edlem Gestein geformten Insekten machten, aus der Nähe betrachtet, einen monströsen Eindruck. Als ich in den Saal zurückkehren wollte, hörte ich eine Stimme, die aus der Tiefe des Flachreliefs zu kommen schien, vor dem ich stand. Ich brauchte eine Sekunde, um mir zu vergegenwärtigen, daß es, ebenso wie das Meer unter der Terrasse, ein Werk der Videoplastiker war. Trotzdem mußte ich einen gewissen inneren Widerstand überwinden, bevor ich mich entschloß, geradenwegs auf das sprühende, plastische Gebilde zuzugehen. Die großen Brillantaugen einer Spinne funkelten dicht

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