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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Assistent Goobars.‘ Ich könnte mich mit den kommenden Generationen auseinandersetzen, würde mich ihnen selbst präsentieren! Die Biotensoren realer Bereiche, die Inertion des Echogedächtnisses – oh, ich habe noch ändere, noch nicht vollendete Sachen. Diese Arbeit ist doch meine einzige Freude – aber alles ist vergebens, zwecklos. Ich bin und bleibe der Assistent Goobars, werde als einer aus Goobars Kollektiv in die Geschichte eingehen, nicht durch Eigenes, als ein leerer Klang, der Schatten eines der hunderttausend Blätter in der Krone eines Baumes. Und ich weiß, dagegen ist nichts zu machen, es muß so sein…“
    „Was redest du da?“ unterbrach ich ihn bewegt. Das Gesicht des kleinert Mannes drückte auf einmal soviel Leid aus. „Du könntest doch selbständig arbeiten oder dich einem anderen Kollektiv anschließen. Du kannst dich doch jeden Augenblick von Goobar trennen…“
    „Was sagst du?“ rief Diokles. Seine Züge verkrampften sich noch mehr. „Ich soll mich von Goobar trennen? Von Goobar? Mensch, was faselst du? Ich soll Goobar freiwillig verlassen? Wo finde ich denn einen zweiten Goobar?“
    „Wenn du dich nicht damit abfinden kannst, daß er dich überragt, dann wäre es doch…“, begann ich vorsichtig auf ihn einzureden; aber er unterbrach mich sofort: „Was sprichst du nur?“ Er zog mich am Arm zu sich heran und erklärte mir flüsternd, erregt, hastig: „Ja, er überragt mich, er überragt uns alle. Und? Wir gehen immer weiter… mit ihm. Im Laufe der letzten sieben Jahre haben wir im Institut gewaltige Arbeit geleistet. Das wird dir jeder bestätigen. Ich will weder mich noch die anderen loben. Ich weiß sehr gut, daß ich heute mehr kann als früher, daß meine geistige Spannweite größer geworden ist. Wenn ich aber an dem Punkt anlange, auf dem Goobar vorher stand, dann ist er mir schon wieder voraus. So überrundet er uns andauernd. Ich greife immer wieder an, und jedesmal bin ich der Unterliegende. Ist das nicht bitter? Ja, so ist es. Jedesmal werde ich durch etwas Größeres, Gewaltigeres besiegt.“
    Ebenso plötzlich, wie er meinen Arm gepackt hatte, ließ er ihn wieder los, lächelte, als wollte er um Entschuldigung bitten, nickte mir zu und verschwand mit kleinen, leichten, wie immer hastigen Schritten.
    Ich schaute nachdenklich in das Gewühl im Saal. Die Nische, in der Goobar gestanden hatte, war leer. Ich ging auf die Terrasse hinaus. Sie schien leer zu sein; jedenfalls gewahrte ich auf den ersten Blick niemanden. Dann hörte ich gedämpfte Stimmen. Ich zog mich an das andere Ende der Terrasse zurück. Tief atmete ich die kühle, salzige Luft ein, die meine heiße Stirn umwehte. Der Horizont war nicht zu sehen, nur die feinen, purpurroten Umrisse des Vulkans hoben sich von dem schwarzen Hintergrund ab. Die Ermüdung, die ich bisher nicht gespürt hatte, machte sich bemerkbar. Meine Glieder waren auf einmal schwer wie Blei. Mit dem Rücken zur Brüstung breitete ich die Arme weit aus und stützte mich auf den kalten, steinernen Rand. Meine Augen hatten sich inzwischen an die Finsternis gewöhnt, und ich erkannte im entlegensten Winkel der Terrasse die Gestalt einer Frau, die allein zwischen zwei halb geschlossenen Türflügeln stand. Ihre Silhouette verschmolz mit dem Dunkel, das sie umgab. Nur das Gesicht wurde von einem bläulichen Lichtschimmer erhellt, den das Kleid reflektierte. Ahnungslos, daß jemand sie beobachtete, lauschte sie einer gedämpften Stimme. Mein Blick glitt suchend in die Richtung, aus der die Laute kamen, wie man einen Schatten mit den Augen verfolgt, um den Gegenstand zu entdecken, der ihn wirft. Ich sah nichts, es war zu finster; aber gleich darauf erkannte ich die tiefe, volle, ein wenig ironische Stimme Goobars, der sich mit anderen unterhielt. Die Worte verstand ich nicht.
    Nun wußte ich auch, wer die Frau war: Callarla. Ihr kaum vom Licht berührtes Antlitz neigte sieh wie körperlos, irreal und doch gesammelt und hingebungsvoll. Ihre halb geöffneten Lippen schienen Unsichtbares zu trinken. So sahen wohl vor Jahrhunderten die Gesichter der Menschen aus, die von religiöser Verzückung ergriffen waren und, an ein Wunder glaubend, von einem hohen Felsen sprangen, um zu ihrem Gott zu fliegen – um in die Tiefe zu stürzen. Auch sie konnte nicht verstehen, was Goobar sprach; aber sie war ganz Ohr, im Bann seiner tiefen. Stimme. Sie schien diese Stimme zu bitten, sie mit in die Höhen zu tragen – aber auch sie wurde im gleichen

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