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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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„Das kann sich auf verschiedene Merkmale beziehen: auf die innere Gestalt der Maschine, auf den Verlauf der Kabel, die Lage der einzelnen Aggregate und so weiter. Von meinem Kollegen Yoris, der außergewöhnlich zerstreut ist, erzählte man sich folgende amüsante Anekdote: Als er einen bestimmten Giromaten bauen wollte, gab er dem Grundsystem alle erforderlichen Daten bekannt, mit Ausnahme eines einzigen, das die Größe betraf. Das hatte er vergessen. Als er Monate später auf den Bauplatz kam, sah er schon von weitem eine Art Cheopspyramide, die alles ringsum überragte. Verlegen fragte er einen Automaten, ob die Konstruktion des Giromaten beendet sei. Die Antwort war für Yoris erschütternd: ,Nein, sie hat gerade begonnen. Das ist die erste Schraube.‘“
    Als unser Lachen verklungen war, sagte ich: „Nun, das ist ein Scherz; aber die heutigen Maschinen unterscheiden sich voneinander wie Bäume, Blumen oder Menschen durch das Laub, die Farbe und Form der Blütenblätter, der Augen, der Haare, also durch unwesentliche Merkmale, die ihnen aber eine physische Individualität verleihen.“
    „Du hast recht“, bestätigte einer der Mechanoeuristiker. „Es ist aber eine Individualität neuen Typs, die sich nicht, wie früher, aus einem Mangel an Wissen, sondern eher aus einem Übermaß an Wissen ergibt.“
    Nach diesen Worten herrschte Schweigen. Plötzlich lachten die Gefährten an dem Tisch, an dem Goobar Platz genommen hatte, laut auf. Unbemerkt entfernte ich mich von der Gruppe junger Leute und ging zu den Astrophysikern, da ich wissen wollte, was sie so erheitert hatte. Als ich mich dem Tisch näherte, sagte eben Ter Akonian: „Das Wort hat Professor Trehub.“
    „Was gibt es denn hier?“ erkundigte ich mich leise bei Zorin, der unter der Palme stand.
    „Ein neues Unterhaltungsspiel, das ,Ausdenken möglicher Welten‘“, antwortete er ebenso leise. „Nach Trehub wird Goobar sprechen.“
    Am Tisch wurde es still. Ein Duell in Scharfsinn und Phantasie zwischen diesen beiden Gelehrten schien bevorzustehen.
    Trehub wendete seinen Vogelkopf nach allen Seiten, zog Augenbrauen und Nasenwurzel zu einem dicken Knoten zusammen und begann ernst und gewichtig: „Es ist denkbar, daß das Weltall, in dem wir leben, nicht ständig, sondern periodisch existiert, daß also die ganze Materie, aus der es sich zusammensetzt, sozusagen wie ein unterbrochener Lichtstrom ,flimmert‘. Wir merken es nicht, da die Frequenz unerhört hoch ist, einige Milliarden Schwingungen in der Sekunde. In diesem Fall wäre das Bestehen eines zweiten Weltalls möglich, dessen Materie in den Perioden seines Bestehens in die Unterbrechungen des Bestehens unseres Weltalls einspringt. Beide Weltalle kann man ‚gegenseitig einspringende‘ in demselben Raum nennen. Wenn zwei solche Systeme existieren können, dann können es ebensogut sehr viele, Tausende, ja Millionen sein. Sie alle können, ich betone dies nochmals, in demselben Raum bestehen und dabei voneinander unabhängige physische Gesetze haben – mit Ausnahme des einen, das ihre Frequenzen so regelt, daß ein ‚Zusammenstoß‘ der Materie zweier oder einiger solcher Weltallsysteme ausgeschlossen ist. Deshalb ist es denkbar, daß durch den Raum, den unsere Körper einnehmen, in diesem Augenblick zahllose Wesen aus einem anderen Weltall dringen, die ebenfalls über die von mir vertretenen Ansichten und Möglichkeiten diskutieren.“
    Lachen und Beifall ertönte, aber gleich wurde es wieder still. Alle warteten gespannt, was für Gedanken Goobar äußern würde.
    Wie gewöhnlich, stand er mit leicht gespreizten Beinen da und wiegte sich hin und her, als wollte er die Festigkeit des Fundaments erproben. Dann sagte er: „Nehmen wir an, bei einer beliebigen Metagalaxis tritt eine fortschreitende Komplikation ihrer Struktur ein. Sie äußert sich in der Form, daß die einzelnen Sterne sozusagen die Nervenzellen des Gehirns werden. Nach einer gewissen Zeit wird aus dieser Metagalaxis eine Art Gehirn, das den Raum einer Kugel von… nun, sagen wir vier Milliarden Lichtjahren Durchmesser einnimmt.“
    „Eine ungeheuerliche Vision“, flüsterte Callarla. „Was für ein geniales Ungeheuer aus glühender Materie!“
    „Du irrst dich, meine Liebe“, erwiderte Goobar, der ihre letzten, etwas lauter gesprochenen Worte gehört hatte. „Ich fürchte, dieses Gebilde wäre, wenigstens nach unseren Begriffen, das Dümmste, was es gibt.“ Er zog einen kleinen Analysator aus der Tasche, führte

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