Gast im Weltraum
beliebigen Sterns des uns bekannten Weltalls. Im Laufe von zwanzig Sekunden ‚durchlebt‘ der Automat also Milliarden von Jahren, die Zeit, die der Stern besteht. Einen solchen Giromaten könnte kein Mensch bauen. Die Berechnungen, das Zeichnen der Pläne würde tausend Jahre oder mehr beanspruchen. Selbstverständlich könnte man Rechenautomaten zu Hilfe nehmen. Aber das ist überflüssig; denn es gibt eine viel einfachere Methode: Zuerst bauen wir das sogenannte automatische System der Basis. Diesem System teilen wir die allgemeinen Richtlinien für die Konstruktion des Giromaten mit, das heißt die Bedingungen, den Wir kungsbereich und die Aufgaben; die der Giromat zu erfüllen hat. Das alles nennen wir ,Richtungsgradient der technologischen Entwicklung des Giromaten‘. Dann stellen wir den Basisautomaten das erforderliche Baumaterial zur Verfügung und setzen sie in Bewegung. In einer verhältnismäßig kurzen Zeit, in einigen Monaten, ist der Giromat fertig. Natürlich wissen wir, die Projektierenden, nicht, welche Analysen und Berechnungen die Basisautomaten vorgenommen haben. Das interessiert uns auch ebensowenig wie die Einzelheiten der Konstruktion. Der Giromat ist da, gebrauchsfertig, er arbeitet, führt alle unsere Befehle aus – mehr brauchen wir nicht.“
„Professor“, sagte Maja Moleticz, die neben mir stand, „ich glaube, vor tausend Jahren hätte ein Konstrukteur jeden für verrückt erklärt, der ihm gesagt hätte, daß die Menschen in Zukunft die kompliziertesten technischen Einrichtungen ohne Pläne bauen werden.“
„Ich bin nicht deiner Meinung. Man brauchte ihm nämlich das Prinzip nur in einer für ihn verständlichen Form an einem Beispiel zu erklären. Damals wurden bereits die ersten, wenn auch noch primitiven Rechenmaschinen in Betrieb genommen. Ein Ingenieur, der mit Hilfe einer solchen Maschine zwei Zahlen multiplizierte, hat sich nicht um den inneren Vorgang dieser arithmetischen Operationen gekümmert. Für ihn war das Endresultat wichtig, weiter nichts. Damals wurde also bis zu einem gewissen Grade schon der Grundsatz beherzigt: Belaste dich nicht mit unnützem Wissen. Die genaue Kenntnis sämtlicher Kabelverbindungen im Astrogiromaten wäre unnützes Wissen. Wenn jemand sie katalogisieren wollte, dann würde er mit ihrer Aufstellung und Beschreibung schätzungsweise zehntausend Bänder oder Trione füllen. Diese Arbeit wäre sinnlos und wertlos. Unsere Technik ist so reich an zahllosen Einrichtungen, daß wir in einer Flut von Beschreibungen untergehen würden, wenn wir sie alle studieren und so genau kennenlernen wollten wie die Menschen früher zum Beispiel die Konstruktion einer Uhr. Wäre es nicht zu einer weitgehenden Automatisierung gekommen, dann hätte die menschliche Gesellschaft vor tausend Jahren den Weg einer immer engeren Spezialisierung des einzelnen beschreiten müssen. Aus den Menschen wäre ein Volk von Ameisen geworden, jeder einzelne hätte einen winzigen Teil der allgemeinen Arbeit verrichtet, ohne die Gesamtheit, den Sinn des Ganzen zu erfassen. Die Automaten potenzieren nicht nur die geistigen Kräfte des Menschen – so wie ein Kran die Kraft des menschlichen Armes verstärkt –, sie nehmen ihm auch die Last monotoner, unschöpferischer Forschungen, Beobachtungen und Untersuchungen ab und überlassen ihm nur das Wichtigste, das Einmalige, das, was Erfindungsgeist, Gedankenarbeit und Intuition verlangt. Die Automaten helfen einen neuen Menschentyp schaffen, einen Menschen, der die Grundrichtungen festlegt, ohne sich um die Einzelheiten der Ausführung zu kümmern.“
Tembhara verstummte, wir schwiegen nachdenklich. Schließlich sagte ich: „Als ich noch ein kleiner Junge war, tat es mir unendlich leid um die vergangenen alten Zeiten, als jedes Produkt menschlicher Hände, zum Beispiel ein Segelschiff, eine gewisse Individualität besaß. Jedes war anders, keines dem anderen gleich. Ich war der Meinung, daß die vollständige Mechanisierung und Automatisierung der Produktion die Individualität der produzierten Güter aus unserer Welt verdrängte. Aus all dem, was Tembhara eben sagte, geht aber hervor, daß sie jetzt, allerdings auf einer höheren Ebene, wiederkehrt. Wenn man den Basisautomaten nur die Hauptrichtlinien für eine Konstruktion gibt, dann werden sie sich in den unwesentlichen Einzelheiten, die in der Instruktion nicht präzisiert worden sind, voneinander unterscheiden. So ist es doch, nicht wahr?“
„Gewiß“, antwortete Tembhara.
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