Gast im Weltraum
Geschichte dieser Erinnerung erzählt. Es war Liebe.“
„Und darüber grübelt ihr im Dunkeln?“ fragte Nils.
„Ja. Siehst du, Nils, es war eine selten tiefe und traurige, eine unerwiderte Liebe.“
„Ach so, unglückliche Liebe.“ Nils senkte den Kopf. Nach einer kurzen Pause sprach er weiter. Etwas wie Auflehnung klang aus seiner Stimme. „Ja, das kommt vor. Ich habe darüber gelesen. Es gibt wichtigere Dinge, aber ich verstehe, daß es so etwas gibt. Künftig wird man für solche Fälle gewiß eine andere Lösung finden.“
„Wie meinst du das?“ fragte ich.
Nils antwortete: „Nun, ganz einfach. Vielleicht wird man den Geisteszustand eines solchen Menschen beeinflussen.“
„Damit er aufhört zu lieben?“ fragte Ameta todernst.
„Vielleicht, aber nicht unbedingt. Man könnte doch auch die Psyche des anderen Menschen verändern. Ich habe gelesen, daß man bei Tieren den Mutterinstinkt nach Belieben hervorrufen kann, indem man ihnen die entsprechenden Hormone injiziert. Das ist eine rein chemische Einwirkung auf die Hirnrinde. Wenn es beim Menschen auch schwieriger sein dürfte, so sehe ich doch keinen grundlegenden Unterschied…“
„So, meinst du?“ fragte Ameta, und Schrey fügte hinzu: „Das ist nicht so einfach, mein lieber Nils.“
„Weshalb?“
„Du hast etwas darüber gelesen“, fuhr Schrey fort, „und schon glaubst du, es zu wissen, zu verstehen. Es gibt eine Komödie von Archiop: ,Der Gast‘. In ihm kommt ein sehr intelligenter Marsbewohner zu uns auf die Erde. Ihm fehlt aber der Gehörsinn. Er macht sich mit unserer Zivilisation vertraut und besucht unter anderem ein Konzert. ,Was machen denn die Menschen hier?‘ erkundigt er sich. ,Sie lauschen der Musik.‘ – ,Was ist denn das, Musik?‘ Die irdischen Begleiter versuchen ihm zu erklären, was Musik ist. ,Das verstehe ich nicht‘, sagte der Marsbewohner; ,aber wartet, ich will die Sache gleich untersuchen.‘ Man zeigt ihm die Instrumente, er betrachtet sie sehr aufmerksam, entdeckt, das sie verschiedene Klappen, Öffnungen, Tasten haben. Zum Schluß legt man ihm eine Posaune vor. Die geometrische Harmonie ihrer Gestalt gefällt ihm, er tastet sie gründlich und gewissenhaft ab und sagt:
,Danke, nun weiß ich, was Musik ist. Das freut mich, es ist sehr nett.‘ – Du, mein Junge, verstehst bis jetzt ebensoviel von der Liebe wie jener Marsbewohner von der Musik. Ich hoffe, daß ich dich mit diesem Vergleich nicht gekränkt habe.“
„O nein“, antwortete Nils. „Aber erklärt mir bitte, weshalb ich, wie es scheint, eine Dummheit gesagt habe.“
„Das, was du gesagt hast, Nils“, erwiderte Ter Haar, der bisher schweigend zugehört hatte, „läßt folgendes Zukunftsbild vor uns auf steigen. Ein Mann liebt eine Frau. Sie erwidert seine Gefühle nicht. Andere Hindernisse für eine Verbindung bestehen nicht. Die Frau schluckt also eine Pille, und diese Pille formt die Eigenschaften und Eigenarten ihres Wesens und Geistes um, die es ihr unmöglich machten, gerade diesen Menschen zu lieben. Alles endet zur beiderseitigen Zufriedenheit. So stellst du dir das doch vor?“
„Na…“ Nils zögerte. „So, wie du es sagst, Professor, klingt es ja ein wenig komisch… Es muß ja nicht gerade eine Pille sein.“
„Die technischen Einzelheiten sind unwichtig. Es handelt sich um einen Eingriff in die Psyche des Menschen. Hier liegen die Hauptbedenken.“ „Weshalb? Wäre es zu schwierig?“
„Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Vielleicht wäre ein solcher Eingriff heute schon möglich, vielleicht auch nicht. Diese Seite des Problems will ich nicht erörtern. Die Bedenken sind ethischer und nicht biotechnischer Natur. Siehst du, Nils, die Frau ist ein ebenso vollwertiger Mensch wie der Mann. Wenn sie ihn nicht liebt, so ergibt sich dies aus der Struktur ihres Charakters, ihrer Psyche, ihrer Veranlagung, ihrer ganzen Persönlichkeit. Damit sie ihn liebte, müßte man ihre Mentalität umformen. Aber auch in ihm müßte manches geändert oder beseitigt werden. Dazu erklärt sich niemand von uns, niemand in der ganzen Welt bereit, nicht einmal jener unglücklich Verliebte. Es besteht nämlich ein ungeschriebenes, aber kategorisches Verbot, Eingriffe in das Seelenleben eines Menschen vorzunehmen. Woher stammt es? Unsere Zivilisation verwischt oft die Grenze zwischen dem Natürlichen und dem künstlich Geschaffenen. Aber alle unsere Erfindungen und technischen Errungenschaften machen vor dem Geist des Menschen,
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