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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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nächtliche Halbkugel in den Raum warf. An der höchsten Stelle des gigantischen Halbkreises, der den Sternenhimmel verdeckte, leuchtete ein blutroter Streifen. Dann tauchte hinter dem gleichmäßig gekrümmten Dunkel der rote Kopf des Zwerges auf. Als seine tangentialen Strahlen in die Atmosphäre eindrangen, leuchtete sie plötzlich wie bengalisches Feuer. Da und dort schienen sich blutrote Wellen durch gespenstische Schluchten zu wälzen. Die ganze Oberfläche war bis zum Horizont mit einem scharlachroten Schleier überzogen. Das Schauspiel währte so lange, bis der rote Zwerg höher gestiegen war und die Gea die Tagseite des Planeten erreicht hatte.
    Um zwölf Uhr schwebte die Gea über dem von Ameta bezeichneten Gebiet. Eine Gruppe von Tektonikern und Planetochemikern wurde zur Erkundung ausgesandt. Unten zeichneten sich undeutlich, von dünnen Nebelstreifen verhüllt, nach allen Richtungen verlaufende Bergketten und das zentrale Gebirgsmassiv ab, das die Gestalt eines Kreises von vierhundert Kilometer Durchmesser hat und an die ausgedehnten Mondkrater erinnert. Im Nordosten fielen die Kraterwände so jäh ab, als hätte ein furchtbarer Hammerschlag sie getroffen, der vor Ewigkeiten die Felsen zermalmte und zersplitterte. Die Gewalt dieses Schlages schien die Stücke weit in die Wüste hinausgeschleudert zu haben, wo sie weißleuchtende Strahlen bildeten, die sternförmig auseinanderstrebten. Das ganze Gebiet sah, aus der großen Höhe betrachtet, wie ein auf der Oberfläche des Planeten zerdrückter Seestern aus.
    Als die Raketen unseren Blicken entschwunden waren, griffen wir zu den Ferngläsern. In ihrem Gesichtsfeld, das dauernd von rötlichen Wolken getrübt wurde, zeigten sich silbrige Funken, die beinahe die Oberfläche erreicht hatten. Die erste Rakete zog über der weiten Wüste einen Schweif von Atomflammen hinter sich her, der einen rotglühenden Streifen zurückließ. Der geschmolzene Sand verwandelte sich in eine glasige Kruste, auf der die nachfolgenden Raketen landen konnten. Die Forscher sollten Gesteinsproben sammeln und die Stellen bezeichnen, an denen die Minerale den höchsten Gehalt an schweren Elementen aufwiesen. Drei Stunden dauerte es, bevor die Analysen unter den gegebenen behelfsmäßigen Bedingungen fertig waren. Dann wurden durch Funk Lastraketen angefordert, die Bagger, Kollergänge und Verladevorrichtungen auf den Planeten brachten. Die Wissenschaftler hätten nun zur Gea zurückkehren können, aber sie wollten auf dem Planeten bleiben, um weitere Forschungen zu betreiben. Am Nachmittag baten die Astrogatoren, geländegängige Fahrzeuge zu schicken. Ich benutzte die Gelegenheit und schloß mich der Besatzung der Rakete an, die Fahrzeuge und Geräte auf den Planeten brachte.
    Da die Rakete bedeutend schwerer als die Personenraketen der Forscher war, konnte sie auf der glasigen Kruste nicht landen. Der Pilot Ul Wef bremste deshalb jäh über den Sanddünen, vermochte aber die Geschwindigkeit nicht genügend herabzudrücken. Die Rakete bohrte sich mit solcher Gewalt in den Sand, daß eine Sandwoge über dem Bug auf stäubte. Die Reibung mit dem Panzer verursachte einen Höllenlärm. Kaum war das Dröhnen der Bremsdüsen verstummt, da klang das Pfeifen des Windes durch die Stille. An den Fenstern flogen rote Wolken vorbei.
    Wir befanden uns an der tiefsten Stelle einer leichtgeneigten Ebene, die rings von amphitheatralisch aufsteigenden Felsen umgeben war. Die Raketen der Forscher waren ungefähr einen Kilometer von uns entfernt gelandet. Der Flugsand, der, so weit das Auge reichte, in der Luft flimmerte, hatte sie bereits mit halbmondförmigen Dämmen umrahmt und begann sich an den Bordwänden aufzutürmen.
    Die Kettenfahrzeuge ratterten über eine Rampe hinunter. Einige Gefährten und ich kletterten auf die Außenhülle des ersten Fahrzeugs, und gleich darauf fuhren wir zu dem Landeplatz der anderen Raketen hinüber.
    Ich hatte im stillen gehofft, daß die Berge des Planeten, obschon sie mir fremd waren, mich an ein Landschaftsbild erinnerten, das ich seit meiner Jugendzeit vor Augen hatte: Felsgipfel, deren Schroffheit durch die Entfernung gemildert wurde, und das große Schweigen, in dem nur der eigene Pulsschlag zu vernehmen war und das ein Gefühl der Unendlichkeit gebar – nicht jener schwarzen, unfaßbaren, unbegreiflichen, die hinter den zarten Hüllen der Planetenatmosphären auf der Lauer liegt, sondern der klaren, blauen, die wir von der Erde kennen. Statt dessen erblickte

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