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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Ganges, der steil abwärts führte. Nach einigen Dutzend Schritten standen sie vor Felstrümmern, die ihnen den weiteren Weg versperrten.
    „Ist es ein natürlicher Gang?“ fragte Ter Akonian.
    „Das läßt sich nicht genau feststellen“, antwortete der Tektoniker. Er fuhr sich über das Gesicht, und seine Hand hinterließ einen dunklen Schmutzstreifen. Keiner achtete darauf. Er wandte sich dem Tisch zu, auf dem die Hülse lag, und sagte: „Einen Teil des Ganges haben wir bereits freigelegt. Die Arbeit schreitet aber nur langsam voran, da wir keine Gewaltmittel anwenden wollen. Der Gang führt noch tiefer… Ungefähr hundertfünfzig Meter unter der Oberfläche fanden wir dies hier…“
    Er öffnete die Metallhülse. Auf einer weichen Unterlage ruhte ein schwärzlicher, poröser, verkohlter Körper von der Größe eines menschlichen Kopfes. „Organische Substanz?“ fragte Ter Akonian.
    „Eine Spur“, antwortete der Tektoniker. „Eine geringe Spur Kohle. Die Isotopenanalyse bestimmt das Alter dieses Körpers auf zwölfhundert bis vierzehnhundert Jahre. Die Struktur ist im Prinzip amorph, die chemische Zusammensetzung gibt keine Hinweise, da eine Umwandlung der ursprünglichen Bestandteile durch pseudomorphe Einflüsse eingetreten ist. Der Körper unterlag außerdem der Einwirkung einer sehr hohen Temperatur, wahrscheinlich in dem Augenblick, als der Meteor auf die Gebirgskette stieß.“
    „Was sagen die Biologen?“ erkundigte sich Ter Akonian.
    „Das gleiche wie wir. Die Kohle ist organischen Ursprungs, mehr läßt sich nicht feststellen.“
    „Und die weiteren Forschungen?“
    „Bisher sind wir fünfhundert Meter weit in den Stollen vorgedrungen. Dort fehlen jegliche Spuren einer solchen oder einer ähnlichen Substanz. Dann kommt eine Verwerfung, und der Gang endet.“
    „Was vermutet ihr?“
    „Der Planet hat niemals eigene Lebensformen hervorgebracht. Dieser Überrest muß deshalb außerplanetarischer Herkunft sein.“
    „Auf welcher Grundlage seid ihr zu diesem Ergebnis gekommen?“
    „In allen Schichten, bis hinunter zu dem vulkanischen Gestein, fehlt jede Spur der Einwirkung von Wasser. Sedimentgesteine sind ebenfalls nicht vorhanden. Leben, das auf der Eiweißstruktur aufbaut, kann ohne Wasser nicht entstehen. Die Kohle in diesem Körper ist, das steht fest, organischen Ursprungs, also…“
    „Also?“ unterbrach ihn Ter Akonian.
    „Nein – alles andere sind Vermutungen – nur Vermutungen“, sagte der Tektoniker zögernd. „Der Stollen kann der Überrest eines früheren Bergwerks sein.“
    „Und das hier?“ Der Astrogator wies mit der Hand auf das schwärzliche Etwas. „Der Überrest eines Lebewesens?“
    „Ja.“
    Unsere Blicke richteten sich auf den dunklen Körper. Es war erschütternd. Billionen Kilometer hatten wir zurückgelegt, waren ohne Gemütsbewegung an Ansammlungen glühender und erkaltender Materie, an Sonnen und kreisendem, rotem Gestein vorbeigeflogen, und dieser zufällig auf einem namenlosen, toten Himmelskörper entdeckte Überrest beschleunigte den Schlag unserer Herzen. Stärker als jemals spürte ich das Band, das alles Lebende eint und das älter ist als der Mensch und der Menschenverstand. Die Sehnsucht nach Wesen, die mit der gleichgültigen Endlosigkeit des Weltalls ringen, ließ uns in diesem schwarzen Stück Materie den Untergang eines unbekannten, vielleicht uns unverständlichen, unbegreiflichen und doch so nahen Lebens ahnen, als wäre in ihm einst etwas von unserem Blut geflossen.
    Die Nachforschungen und weiteren Untersuchungen, die zwei Tage und eine Nacht lang ohne Unterbrechung und ungeachtet der Stürme fortgesetzt wurden, waren ergebnislos. Am dritten Tag waren die Bunker der Gea mit neuem Brennstoff gefüllt, die Zeit des Abfluges war gekommen. Die Forscher ließen die Stätte ihrer Ausgrabungen ungern im Stich. Aber die Astrogatoren drängten. Die Nacht war bereits angebrochen, die Gewalt des Sturmes nahm von einer Minute zur anderen zu. Der Orkan peitschte heulend knirschende Sandwogen an die Raketen. Tausende Stahlspitzen schienen über die Panzer zu streichen. Unter diesen Bedingungen war der Start schwierig. Die Raketen mußten von Anfang an eine beträchtliche Geschwindigkeit entwickeln. Die Basisrakete, in der ich mich befand, flog als letzte ab. Ich beobachtete den Start der anderen. Flimmernde blaue Feuersäulen stiegen aus einer milchig weißen Brandung auf: Der Sand der Wüste wogte und wallte.
    Vor der brennenden Palisade der

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