Gast im Weltraum
schlummerten sogar kurze Zeit vor ihren Teleskopen, um nur ja immer an Ort und Stelle zu sein.
Trotzdem gelang es mir eines Tages, in dem einsamen Garten Borel zu erwischen. Er war, wie er sagte, „nur für einen Augenblick“ hierhergekommen, um sich „am Duft der Blüten zu erfreuen und zu erfrischen“. Wir setzten uns auf einen der Felsen am Bach, und hier verriet Borel mir ein großes, eben erst entdecktes Geheimnis: „Der zweite Planet der Sonne A, der ein wenig kleiner ist als die Erde, dreht sich so rasch um seine Achse, daß seine Umdrehungszahl drei Viertel eines Erdentages beträgt.“
Ich wartete geduldig auf weitere Erklärungen; aber Borel beeilte sich keineswegs. Erst als er meine Ruhe bemerkte, fragte er erstaunt: „Nanu, verstehst du mich denn nicht, begreifst du das nicht? Du weißt doch, daß sich der Merkur überhaupt nicht und die Venus nur sehr langsam um ihre Achse drehen. Die ehemals schnelle Rotation dieser beiden Planeten wurde im Laufe von Jahrmillionen infolge der zusätzlichen, durch die Sonnengravitation bedingten Flutungsreibung abgebremst. Der erste, sonnennächste Planet der Sonne Ades Zentauren dreht ihr ebenfalls stets dieselbe Halbkugel zu, wie der Merkur unserer Sonne; der zweite, der in Größe und Entfernung von der Sonne unserer Venus entspricht, hat eine Umdrehungszeit, die nur den dreißigsten Teil der Rotationszeit unserer Venus beträgt…“
„Was bedeutet das?“„Die Einwirkung eines nicht astronomischen Faktors.“
„Und was für ein Faktor soll das sein?“
„Lebende Wesen, die den Planeten bewohnen“, antwortete Botel. „Diese Tatsache beweist obendrein, daß jene Geschöpfe uns an Intelligenz zumindest gleich sind, wenn nicht sogar überlegen. Wir haben bisher nicht versucht, die Erdumdrehung zu beeinflussen.“
„Was, du meinst, daß diese Wesen sie regulieren?“ rief ich aufgeregt.
„Ja. Der Planet besitzt keinen Mond. Die Berechnungen zeigen, daß er sich in wenigstens achtzehn Tagen einmal um seine Achse drehen müßte. Die Theorie schließt eine kürzere Umdrehungszeit aus. Wir dürfen uns deshalb auf eine Begegnung mit vernunftbegabten Wesen vorbereiten.“
Ich fragte ihn, weshalb wir angesichts einer so wichtigen Entdeckung noch Zeit verlören und dem zweiten Planeten des roten Zwerges nachjagten.
„In den acht Jahren, die wir bereits unterwegs sind“, erklärte Borel, „haben die Triebwerke der Gea einige zehntausend Tonnen Brennstoff in Energie umgewandelt. Diese große Lücke in unseren Brennstoffvorräten muß so schnell wie möglich geschlossen werden. Wie du weißt, können wir aus jedem Material Atomenergie erzeugen, der Energiewert hängt lediglich von ihrer Masse ab. Theoretisch können die Triebwerke unseres Schiffes mit jeder beliebigen Substanz in Betrieb gehalten werden, also auch mit flüssigen Stoffen, Gasen oder Mineralien. Den Astrogatoren liegt aber daran, daß das für die Ergänzung der Brennstoffvorräte gewählte Material in beträchtlicher Menge leicht, schnell und möglichst einfach an Bord der Gea geschafft werden kann. Wir dürfen annehmen, daß der von einer sehr dünnen wolkenlosen Atmosphäre umgebene zweite Planet des roten Zwerges, dessen Oberfläche hauptsächlich aus Sandwüsten besteht, allen diesen Anforderungen entspricht.“
„Wenn ein Gärtner in früheren Zeiten durch seine Arbeit und Geduld aus der Erde Früchte hervorgebracht hat, die nun an den Zweigen der Bäume hängen, dann kann er, obgleich noch keines anderen Hand diese Früchte berührt hat, mit Recht sagen: Die Arbeit ist getan.“ Das sprach Ameta. Er stand mit Yrjöla, vom roten Licht des hoch über uns leuchtenden Zwerges umspült, am äußersten Ende der Sterngalerie.
„Über was sprecht ihr?“ fragte ich, als ich zu ihnen trat. „Wer ist der Gärtner, und was bedeutet diese Metapher, Ameta?“
„Wir sprachen darüber, daß die Expedition ihren Zweck erfüllt hätte, auch wenn wir schon jetzt gezwungen wären, auf die Erde zurückzukehren“, antwortete der Ingenieur an Stelle des Piloten.
„Ach so, dann sind wir die Gärtner, und das reife Obst ist dieses Gestirn?“ Ich wies mit der Hand auf die rötlich glänzende Halbkugel des Planeten, die sich unter uns bis an den Horizont erstreckte.
„Na, ich jedenfalls möchte gerade jetzt, da wir dem Ziel so nahe sind, nicht umkehren.“ „Ich glaube, das wünscht keiner von uns“, antwortete Yrjöla. „Wir diskutieren nur in etwas gehobener Stimmung über solche Probleme,
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