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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ausstrahlte, in dem Riß zwischen den schwarzen Berggipfeln und den reglosen Wolken. So weit der Blick reichte, lag alles unter einem rotglühenden Nebel, der immer dunkler wurde und schließlich eine violette Tönung annahm. Die schwer arbeitende Maschine schwankte und schaukelte. Die Menschen auf ihr glichen in dem Dunst unheimlichen Tiefseegeschöpfen. Als die scharlachrote Sonnenscheibe den Horizont berührte, entstand am Himmelsrand eine flache Vertiefung, als schmölze die glühende Kugel die Felsen; aber sie sank rasch tiefer, und die optische Täuschung verschwand. Eine Weile noch kämpfte das Rot gegen das Dunkel, dann erlosch es. Nur dort, wo der Zwerg hinter den Bergen untergetaucht war, züngelten kurze Zeit die korallenfarbenen Schlangen seiner Protuberanzen empor. Auf einmal war es stockfinster, als hätten wir die Augen geschlossen. Der fesselnde Anblick des Sonnenunterganges hatte uns vor dem Einstiegluk der Rakete festgehalten. Wir hatten uns von diesem Eindruck noch nicht ganz gelöst, als sich aus der Ferne ein zunehmendes Heulen und Pfeifen näherte. Die Nacht kam und mit ihr der Sandsturm.
    Bis in die späte Nacht hinein hörte ich der Diskussion der Wissenschaftler zu. Schließlich einigten sie sich darauf, daß ein großer Meteor in einem sehr flachen Winkel eingeflogen sei und die Bergkette, die seinem Flug hindernd im Wege stand, durchbrochen habe. Ich lehnte in einer Ecke der geräumigen Kabine, und endlich fielen mir vor Müdigkeit und Langeweile die Augen zu. In der Nacht wachte ich ein- oder zweimal auf und sah, daß sich die Wissenschaftler noch immer über die Karten und Mineralproben beugten.
    Am Morgen betrug die Außentemperatur minus 87 Grad. Die Rakete war unter Sandverwehungen begraben, und die Automaten, die wir durch Funk herbeiriefen, mußten sie erst freischaufeln. Ohne Unterbrechung beförderten Lastraketen zerkleinerten Basalt an Bord der Gea, und die Forscher begaben sich wieder in das Gelände, an den Ort der kosmischen Katastrophe.
    Ich blieb allein in der Rakete und verfolgte durch die große Glasscheibe die Arbeit der beiden Dispatcher, die in der zweiten, kleineren Kabine die Forscher bei ihrer Tätigkeit im Auge behielten. Auf zwei Bildschirmen, auf denen die ganze Umgebung wie auf einer Landkarte zu sehen war, leuchtete eine Anzahl heller Punkte – die Menschen. Diese Fünkchen bewegten sich langsam, hielten an, glitten ein Stückchen zurück und schoben sich wieder vorwärts. Das Ganze machte den Eindruck eines Kinderspielzeugs. In Wirklichkeit kletterten die Männer, die durch ihre Sendegeräte die Bewegung der Leuchtpunkte verursachten, auf steile Felsen oder in tiefe Schluchten. Auf einmal bemerkte ich, daß alle Fünkchen anhielten und sekundenlang unruhig flimmerten. Dann strebten sie einem Punkt zu, bildeten einen leicht vibrierenden Ring und schwirrten gleich darauf wie ein Schwarm aufgeregter Johanniswürmchen durcheinander. Die beiden Dispatcher wurden munter. Der dritte Gefährte, der sich in der Kabine befand, der Planetologe Borel, blickte bald in den ersten, bald in den zweiten Bildschirm, wechselte einige erregte Worte mit den beiden anderen, trat an das Sendegerät, das der Verbindung mit der Gea diente, und begann ein langes Gespräch. Plötzlich sprangen die beiden Dispatcher überrascht auf. Ich wollte schon hinüberlaufen, als an einem seitlichen Pult drei Lämpchen aufleuchteten, zwei grüne und ein weißes. Sie zeigten an, daß eine Personenrakete von der Gea startete. Zehn Minuten später betrat Ter Akonian die kleine Kabine unserer Rakete. Ich vermochte meine Neugierde nicht zu unterdrücken und folgte ihm. „Sie werden gleich hier sein“, sagte Borel, „dann erfährst du alles aus erster Hand.“
    Ohne ein Wort zu sprechen, warteten wir vielleicht eine Viertelstunde. Dann hörten wir das Geräusch der auf hohen Touren laufenden Motoren. Das Rattern und Fauchen verstummte, und gleich darauf kamen einige Menschen in Skaphandern herein, die einen großen, flachen Behälter trugen, den sie auf den Tisch legten. Einige konnten sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten. Sie hoben nur den Helm ab und ließen sich so, wie sie waren, in ihren staubigen Skaphandern, in die Sessel fallen.
    Einer der Tektoniker berichtete. Sie hatten eine wichtige Entdeckung gemacht. Unter einem der Fahrzeuge war unerwartet die Decke eines verborgenen Hohlraumes eingebrochen. Als sie die Öffnung erweiterten, stießen sie auf die Mündung eines unterirdischen

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