Gatling Girl
Kopf hielt. Und dieser jemand hatte sie ganz schön gelinkt, indem er vorgab, zu schlafen.
»Was suchen wir denn?«, fragte Car los Santiago mit eisiger Stimme. »Was bist du für eine Puta, he? Hab mir schon gedacht, dass du schnüffeln willst, so neugierig, wie du bist. Und jetzt raus mit der Sprache, für wen schnüffelst du hier herum?«
Sally lag ein Fluch auf den Lippen, doch den behielt sie damenhaft für sich. Hatte der Kerl bereits Wind davon bekommen, dass die Regierung ihm auf den Fersen war?
»Ich? Ich schnüffel doch gar nicht«, gab sie mit Unschuldsmiene zurück und drehte den Kopf leicht herum. Der Lauf des Revolvers war nur wenige Inches von ihrer Schläfe entfernt, und sie zweifelte auch nicht daran, dass Carlos abdrücken würde. Falls sie es nicht schaffte, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen, würde sie schnell sein müssen, um dem Schuss zu entgehen.
Carlos Santiago verzog das Gesicht und griff in ihr Haar. Schmerzhaft zog er sie daran in die Höhe, während er die Waffe nicht von ihrer Schläfe ließ.
»Doch, du schnüffelst«, gab er zornig zurück. »Und jetzt wirst du mir sagen, was du gesucht hast, oder...«
Er kam nicht dazu, seine Drohung auszusprechen, denn blitzschnell war Sallys Kopf herumgeschnellt, und ihre Zähne hatten sich in seinem Handge lenk verbissen. Santiago schrie auf, ließ den Revolver fahren, und im nächsten Moment schaffte es die junge Frau auch, sich aus seinem Griff zu lösen. Ein paar Haarsträhnen büßte sie dabei ein, doch das war ihr in diesem Moment egal. Um sicher zu gehen, dass er ihr nicht allzu bald nachkam, rammte sie ihm noch ihr Knie zwischen die Beine und verschwand dann aus dem Raum.
Der Bandenchef krümmte sich und brüllte wie ein verwundetes Tier. Sei ne Flüche verfolgten Sally die Treppe hinunter, und kurz darauf krachte ein Schuss, der sein Ziel allerdings verfehlte.
Santiago hatte gefeuert, aber weil ihm der Schmerz immer noch zu schaffen machte, hatte er sie verfehlt. Er stürm te aus dem Zimmer nach draußen, und während er die freie Hand noch immer auf sein Gemächt presste, legte er erneut auf die davoneilende Frau an.
Als auch dieser Schuss danebenging, brüllte er seinem im Saloon anwesen den Männern zu: »Schnappt euch diese verdammte Puta! Los schnappt sie euch und bringt sie her!« Er bot einen lächerlichen Anblick, den Sally allerdings nicht mitbekam. Leise vor sich hin fluchend schlängelte sie sich zwischen den Tischen hindurch, und ehe Santiagos Leute auf die Worte ihres Bosses reagieren konnten, war sie bereits draußen. Doch wo sollte sie hin? Und ihre Tasche stand noch in ihrem Zimmer! Wie würde sie wieder an ihre Sachen kommen? Vor allem die Derringer und ihren Colt! Und das Bargeld!
Doch das musste ihr in diesem Mo ment wohl oder übel egal sein. Wenn sie jetzt nicht Fersengeld gab, würden die Kerle sie erwischen. Und was ihr dann blühte, wollte sie sich gar nicht ausmalen.
Während hinter ihr Gepolter und Schritte laut wurden, spurtete sie bar fuß um den Saloon herum, in Richtung Mietstall, der sich daneben befand. Am Hitchrack vor dem Saloon hatten keine Pferde gestanden, die sie sich hätte »ausleihen« können, also würde sie es dort versuchen. Doch kaum war sie um die Hausecke herum, krachten bereits die ersten Schüsse. Die Bleistücke zackten dicht hinter ihr in das Holz.
Unwillkürlich schrie Sally auf, rann te aber weiter und sah im nächsten Moment zu ihrer großen Erleichterung, dass das Tor des Mietstalls offen stand. Sie tauchte ein in die Dunkelheit und presste sich fest an den Türpfosten, während sie die Schritte und Stimmen der Männer hörte. »Wo ist dieses verdammte Weib?«, fragte einer, dessen Stimme ganz und gar nicht mexikanisch klang, doch eine Antwort erhielt er nicht.
In dem Moment kamen die Schritte auf den Mietstall zu. Bis auf eine klei ne Petroleumlampe war hier alles dunkel, auch dar Besitzer des Stalls war nirgendwo zu sehen. Sie würde denkbar schlechte Karten haben, wenn die Kerle sie hier erwischten!
»Die Kleine ist sicher hier drin«, sag te einer der Männer, und als sie kurz um die Ecke spähte, sah sie, dass er schnurstracks auf das Tor zukam.
Sie konnte darauf vertrauen, dass er sie beim Vorbeigehen übersah - oder sie musste die Flucht nach vorn antreten. Sally entschied sich für die zweite Mög lichkeit. Ein Riesenfehler...
»Hier ist sie!«, brüllte der Kerl plötz lich, und wieder flogen ihr die Bleibohnen hinterher. Sally duckte sich und verschwand
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