Gaunts Geister 5 - Die Feuer Von Tanith
eröffnet. Gerichtsdiener, bitte verlesen Sie
den ersten Fall auf der Prozessliste. Der Angeklagte möge vor das Gericht
treten.«
»Imperiale
Phantiner Einsatzgruppe, Kriegsgerichtsanhörung Nummer siebenundfünfzig,
Prozessliste vierhundertdreiund-dreißig«, las der Gerichtsdiener mit lauter,
näselnder Stimme von der Tafel ab. »Soldat Dermon Caffran, Dritter Abschnitt,
Erstes Tanith, Leichte Infanterie, ist des Mordes ersten Grades angeklagt.«
Während
er das verkündete, führten bewaffnete Urdeshi-Soldaten Caffran in den Saal und
stellten ihn in die Mitte der offenen Seite des Podiums, so dass er Del Mar
genau gegenüberstand. Er trug Handschellen, aber man hatte ihm gestattet, sich
zu rasieren und seine beste Uniform anzuziehen. Er sah blass, aber entschlossen
aus. Tatsächlich wirkte sein Gesicht seltsam ausdruckslos. Der Junge hat
eine Heidenangst, dachte Gaunt. Und das war auch kein Wunder. Er nickte
Caffran zu, und der junge Mann antwortete darauf mit einem knappen, nervösen
Neigen des Kinns.
Caffran
sah irgendwie seltsam aus, und es dauerte einen Moment, bis Gaunt erkannte,
warum. Es lag daran, dass der Junge noch seine dichten Haare hatte. Im Bunker
hatte er das Scheren der Haare und die Ausräucherung verpasst. Gaunt lächelte
bei sich, als er das Jucken auf seiner eigenen, frisch geschorenen Kopfhaut
spürte.
»Wo
ist Hark?«, flüsterte er Daur zu.
»Ich
habe nicht die leiseste Ahnung, Herr Kommissar.«
Del
Mar räusperte sich. »Ein Wort an die Vertreter der Anklage und der Verteidigung
gleichermaßen, bevor wir beginnen. Ich will nicht den Eindruck erwecken, als
wolle ich die Schwere des Verbrechens herunterspielen, aber dieser Fall zieht
sich bereits unnötig lange hin. Ich will, dass er erledigt wird. Schnell. Das
bedeutet, keine Hinhaltetaktik und ein Minimum an Zeugen.«
Del Mar
deutete auf die Papiere vor sich, von denen eines die Zeugenliste war, die
Gaunt dem Gerichtsdiener überreicht hatte.
»Keine
Leumundszeugen. Nur Sachverständige und Augenzeugen. Ist das klar, Kommissar-Oberst?«
»Ja,
Euer Ehren.« Es war klar. Gaunt gefiel es nicht, aber es war klar. Damit hatte
sich die Mehrzahl der Namen auf seiner Liste erledigt.
»Und
Sie, Fultingo«, sagte Del Mar. »Ich erwarte auch von Ihnen eine anständige Verfahrensführung.
Bringen Sie nichts vor, was die Verteidigung zu ... Abschweifungen provozieren
könnte.«
»Ja,
Euer Ehren.«
»Dann
verlesen Sie jetzt die Tatumstände, bitte.«
Der
Gerichtsdiener erhob sich wieder. »Dem Kriegsgericht wird kundgetan, dass in der
Nacht des Zwohundertvierzehnten die Bürgerin Onti Flyte, wohnhaft in den
Behausungen der zweiten Schicht der Cirenholmer Südfabrik, an ihrem Wohnort
angegriffen und erstochen wurde.«
»Kommissar
Fultingo?«
Fultingo
erhob sich und nahm eine Datentafel, die ihm sein Adjutant reichte. »Onti Flyte
war Witwe und Mutter von drei Kindern. Wie alle Bewohner dieses Viertels war
sie nach dem Ende ihrer Internierung durch die feindlichen Besatzer gerade
wieder von den Befreiungstruppen zurückgesiedelt worden. Die dort ansässigen
Familien wurden im Laufe dieses Abends in Begleitung zum Habitat der Südfabrik
gebracht. Nur kurze Zeit nach der Rückkehr in ihre Wohnung — wir gehen von
einem Zeitpunkt zwischen einundzwanzig Uhr fünfzig und dreiundzwanzig Uhr aus —
wurde sie in ihrer eigenen Waschküche angegriffen und ermordet. Der Mord wurde
mit einem langen, geraden Messer begangen, das in allen Einzelheiten dem
charakteristischen Kampfmesser der tanithischen Infanterie entspricht. Ein
Individuum, auf das die Beschreibung eines tanithischen Soldaten passt, wurde
zu dieser Zeit beim Verlassen der näheren Umgebung des Tatorts gesehen. Der
älteste Sohn des Opfers, Beggi Flyte, identifizierte später Soldat Caffran
eindeutig als den Angreifer. Die Dienstpläne jener Nacht weisen Soldat Caffran
als Angehörigen der Begleitabteilung für das Habitat der Südfabrik aus.«
Fultingo
sah von seiner Datentafel auf. »Kurzum, Euer Ehren, es gibt wenig Spielraum für
Zweifel. Wir haben den richtigen Mann. Ich fordere das hohe Gericht auf, den Angeklagten
zu verurteilen, damit seine angemessene Bestrafung erfolgen kann.« Er setzte
sich.
Caffran
hatte sich nicht gerührt.
»Gaunt?«,
sagte Del Mar.
Gaunt
stand auf. »Euer Ehren, niemand, nicht einmal Caffran selbst, bestreitet, dass
er in jener Nacht in der Gegend war. Außerdem gibt Caffran zu, das Opfer und
dessen Familie gesehen und mit ihnen gesprochen zu haben.
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