Gauß: Eine Biographie (German Edition)
Erst im 20. Jahrhundert scheint sich bei den Biographen allmählich der Wunsch durchzusetzen, an einem praktischen Beispiel zu erklären, welche Leistung der Knabe Gauß da vollbracht hat. So wird die inzwischen am weitesten verbreitete Version der Anekdote mit der Addition aller Zahlen von 1 bis 100 erstmals 1938 von dem deutschen Mathematiker Ludwig Bieberbach [Bib: 14 f.] erzählt.
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die Gauß’sche Summenformel
Die Gauß’sche Summenformel lautet 1 + 2 + 3 + … + n = n (n+1)/2, wobei «n» die Zahl ist, bis zu der summiert werden soll. Der Wert jedes Zahlenpaares ist dann n + 1, während n/2 die Anzahl der Paare ist. Für die Büttner’sche Aufgabe hieße das 100(100 + 1)/2 = 10 100/2 = 5050. Was recht aufschlussreich ist: Euler selbst bietet unmittelbar nach der Formulierung seiner «leichte[n] Regul [… für] die Summa einer jeglichen Arithmetischen Progression …» als erstes Beispiel genau diese Zahlenfolge von 1 bis 100 an [Eul: 266], was in den meisten Gauß-Biographien seit 1938 [Bib: 15] aufgegriffen wird.
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als Knabe die Stelle des Lehrers … spielen
Eine erstaunliche Aussage, denn bisher ging die Gaußforschung davon aus, dass Bartels lediglich niedere Dienste in der Schulstube zu verrichten hatte [Wal: 13]. Gauß-Forscher Kurt Biermann fand diese autobiographische Notiz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in der Universitätsbibliothek Tartu in Estland. Sie steht in einem Band mathematischer Vorlesungen, die Bartels 1833 im russischen Dorpat veröffentlichte, wo er zuletzt als Mathematikprofessor gearbeitet hatte [Dik 2 : 60].
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Lichtjahre entfernt vom offiziellen Lehrplan
Bartels und der zehnjährige Gauß studierten regelmäßig nach der Schule Mathematik, sodass die spätere Bemerkung von Gauß, Bartels sei sein «erster Mathematiklehrer» gewesen [Bol: 94], selten wörtlich verstanden, sondern stets mit Bartels’ Rolle des acht Jahre Älteren und Erfahreneren im gemeinsamen Privatstudium in Zusammenhang gebracht wurde. Diese erst 1993 neuentdeckte Aussage von Bartels, er habe in Büttners Schule auch «den Lehrer spielen» müssen, ließe sich nun so interpretieren, dass Büttner das mathematische Talent von Bartels nutzte und ihn als Hilfslehrer für Mathematik einsetzte. Sollte er tatsächlich Lehraufgaben übernommen haben, dann fiele Bartels womöglich der entscheidende Anteil an der Entdeckung des mathematischen Genies des jungen Gauß zu.
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im zarten Alter von 8 Jahren
Der Gießener Mathematikprofessor Ludwig Schlesinger, der zu den Herausgebern und Kommentatoren von Gauß’ Gesammelten Werken gehört, behauptet, es sei genau dieses Remer’sche Werk gewesen, das Lehrer Büttner «in Hamburg bestellt» habe. In seiner Gedenkschrift zum 150. Geburtstag von Gauß im Jahr 1927 schreibt Schlesinger, in Gauß’ Exemplar von Remers Arithmetica finde sich der Eintrag:
Johann Friedrich Carl Gauß Braunschweig
16. Dezember Anno 1785
Wenn Carl aber erst im Frühjahr 1786 in die Rechenklasse eintrat, kann das im Dezember 1785 von Carl signierte Buch wohl kaum ein Geschenk von Büttner gewesen sein, der – zumindest den Überlieferungen zufolge – ja erst im Sommer 1786 das mathematische Talent des Drittklässlers entdeckte. Heute ist die Gauß’sche Privatbibliothek in der Universitätsbibliothek Göttingen untergebracht. Hier aber fehlt dieses vermutlich älteste Buch aus dem Besitz von Carl Friedrich Gauß.
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Gebäude des Lehnsystems … umgestürzt und vernichtet
Wie unermüdlich Campe auch für die Förderung der Muttersprache bei den in Latein absolvierten Schulprüfungen streitet und sich über die deutschen Salons lustig macht, in denen französisch parliert wird, so sehr ist er selbst noch von der eigenen klassischen Erziehung geprägt. In seinem ersten Brief aus Paris fragt er sich, ob die Menschen in den Straßen denn wirklich Franzosen seien und nicht etwa die neuen Griechen und Römer (S. 113). Die Steine schleppenden Frauen werden zu neuen Spartanerinnen (S. 182) geadelt. Offenbar liegt ihm der griechische Freiheitskämpfer Spartakus doch näher als jede andere historische Gestalt, die gegen eine Fremdherrschaft kämpfte. Diese beiden Seitenzahlen sowie die folgenden für gesetzlose Willkürlichkeit (S. 160) und für umgestürzt und vernichtet (S. 172) gelten für die Neuauflage der «Briefe aus Paris» von 1961 [Cam 2 ].
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Das sind rund 3500 Zahlen
Im Alter von 20 Jahren soll er sämtliche Logarithmen der Schulze-Tafeln mit den ersten
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