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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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offenbart. Obendrein errechnet der Computer die dreidimensionale Oberfläche des Gehirns und macht sie als bewegtes Modell aus verschiedenen Blickwinkeln sichtbar. Dabei werden die gekrümmten Oberflächen «auf der Basis der von Gauß seinerzeit entwickelten Triangulierung» [Wit: 17] dargestellt. Dass bei diesen Rechenprozessen auch hin und wieder die Gauß’sche Glockenkurve ins Spiel kommt, versteht sich von selbst.
    Glücklicherweise hat der von Rudolph Wagner zur Konservierung benutzte Alkohol dem Gehirn nicht das ganze Wasser entzogen. Bei den in Göttingen erzeugten Magnetresonanzbildern des Gehirns von Carl Friedrich Gauß sind aufgrund der unterschiedlichen Beweglichkeit des Wassers in den separaten Gewebsschichten sogar die Kontraste zwischen weißer und grauer Hirnsubstanz noch deutlich erkennbar. Professor Jens Frahm machte in acht Untersuchungen über 500 Aufnahmen in verschiedenen Schichten, Dimensionen und Richtungen. Bescheiden bleibt aus heutiger, nüchterner Sicht der Dinge der medizinische Erkenntniswert der Untersuchung. Gauß habe an keinerlei Gehirnverkalkung oder anderen altersbedingten krankhaften Veränderungen des Gehirns gelitten. Auch eine mechanische Schädigung des Gehirns sei als Todesursache auszuschließen. Carl Friedrich Gauß sei bis zuletzt geistig völlig gesund gewesen, lautet der Befund des Mediziners Andreas Frewer [Wit: 18]. Dem Wissenschaftlerteam konnte es selbstverständlich auch gar nicht darum gehen, Wagners Genie-Hypothese nun endlich mit Hightech-Verfahren zu verifizieren. Die Suche nach genau lokalisierbaren anatomischen Zeichen für überragende Intelligenz war im Grunde schon mit Wagners erster Hirnstudie vor 150 Jahren gescheitert. Immerhin offenbart das tote «Seelenorgan» unter dem Einfluss der unwiderstehlichen elektromagnetischen Wechselwirkung im Magnetresonanzgerät seine innere Architektur in hochauflösenden Bildern.
    Am 28. November 1998 geben sich Neurologieprofessor Jens Frahm, Dr. Axel Wittmann als Vorsitzender der Gauß-Gesellschaft sowie vier weitere Kollegen bedeckt. Die Magnetresonanz-Tomographie findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. «Jegliche begleitende Publizität [wurde] von vornherein vermieden … Wir denken, dass dies die Zustimmung des stets zurückhaltend auftretenden Carl Friedrich Gauß gefunden haben würde» [Wit: 12]. Berichtet wird später darüber nur im campuseigenen Nachrichtenmagazin der Göttinger Universität und in den Mitteilungen der Gauß-Gesellschaft. Die Fachleute im Max-Planck-Institut wissen, dass sie mit ihren elektromagnetischen Tricks nur die anatomische Struktur des Intelligenzorgans sichtbar machen können. Magnetresonanz bietet eben nur eine Durchleuchtung und keine Erleuchtung.

    Auch Wagner und Gauß sprechen in der Adventszeit 1854 über magnetisiertes biologisches Gewebe. Ausgerechnet Gauß’ Lieblingsdichter Jean Paul hat Wagners Großvater «heilmagnetisch behandelt» – offenbar ohne Erfolg, denn er stirbt kurze Zeit später. Trotz der Sympathie, die Gauß für die skurrilen Geschichten Jean Pauls hegt, fällt der Magnetismusexperte ein vernichtendes Urteil über den faulen Zauber des sogenannten tierischen Magnetismus. Allerdings ist Gauß davon überzeugt, dass die Seele nach dem Tod «umkleidet» und an einen anderen Ort im Sonnensystem transportiert wird, wo die irdische Beschäftigung fortgeführt werde. Denn: «Eine Geschichte der Menschheit ohne Fortsetzung und Vollendung auf einem andren Schauplatz, sey undenkbar und ein Widerspruch mit der unendlichen Harmonie und festen Gesetzmäßigkeit der physikalischen Erscheinungswelt» [Wag 2 : 163], protokolliert Wagner die Gedanken seines Gesprächspartners. Gauß glaube an die Seelensubstanz und vergleiche die Fortbewegung der Seele mit dem Fluss des «galvanischen Stroms, da hier etwas … Substantielles weiterbefördert werde» [Wag 2 : 165]. Was Gauß tatsächlich gesagt hat und was Wagner ergänzt oder in seinem Sinn hingebogen hat, werden sich auch Therese Gauß, Wilhelm Weber und Wolfgang Sartorius von Waltershausen gefragt haben. Sie verhindern die Veröffentlichung der Wagner’schen Aufzeichnungen.

    Angesichts der an einem geheimgehaltenen Ort vollzogenen Schädelöffnung von Carl Friedrich Gauß wirkt eine Passage der ersten Gauß-Biographie von Sartorius von Waltershausen schon fast wie eine Verschwörung des inneren Freundeskreises: «Nachdem ein einfacher schwarzer Sarg bereitet, übten nur die nächsten Freunde, – keine

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