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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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wohlmeinendem Rat an Gauß, Astronom ohne Fernrohr zu bleiben, könnte daher das Kalkül gewesen sein, seinen Protegé Burckhardt nicht mit dem neuen Liebling der Astronomengemeinde um den Posten in Göttingen konkurrieren zu lassen. Als Gauß im November 1801 seine ersten Ceres-Berechnungen an Zach schickt, gibt der sich in seinem Antwortbrief ziemlich herablassend, wohl auch in Unkenntnis des neuen Gauß’schen Rechenverfahrens, und lässt zwischen den Zeilen durchblicken, die Ceres-Ellipse von Burckhardt zeichnete die Beobachtungen Piazzis ja wohl ebenfalls bestens nach. Erst als Olbers den Neuling öffentlich als den einzig Verantwortlichen für das Wiederauffinden von Ceres herausstellt, stimmt auch Zach in die Lobeshymnen ein. Olbers schreibt: «Mit Vergnügen werden Sie bemerkt haben, wie genau Dr. Gauss’ Ellipse mit den Beobachtungen der Ceres stimmt. Melden Sie doch dies diesem würdigen Gelehrten unter Bezeugung meiner ganz besonderen Hochachtung. Ohne seine mühsamen Untersuchungen über die elliptischen Elemente dieses Planeten würden wir diesen vielleicht gar nicht wiedergefunden haben. Ich wenigstens hätte ihn nicht so weit ostwärts gesucht.» [Bre: 18].
    Die durch den Erfolg gesteigerte Begeisterung des jungen Mannes für die Astronomie und der frische Glanz seines Namens lassen ihn auch als strategischen Verteidiger des Planetenstatus von Ceres und Pallas gegen die lästigen Mäkeleien Wilhelm Herschels in Stellung bringen. Denn der königliche Hofastronom in London erweist sich als Spielverderber. Als einziger Astronom von Weltrang wagt er es, die planetenselige Idylle auf dem Kontinent zu stören. Er könne weder Ceres noch Pallas als Planeten anerkennen, da sie die typische Ausdehnung einer Venus oder eines Merkurs vermissen ließen. Zumindest könne er dies in seinen Teleskopen nicht entdecken. Und die gelten nun mal als die besten der Welt. Daher schlägt er vor, beide als «Asteroiden» zu bezeichnen, als «sternähnliche» Himmelskörper. Will sich hier etwa der Uranus-Entdecker den Nimbus des einzig lebenden Planetenfinders bewahren? Niemand spricht den Verdacht laut aus, aber es gibt wohl kaum einen Astronomen, der nicht von selbst auf diesen Gedanken kommt. Im Novemberheft der Monatlichen Correspondenz stellt Gauß sich als Advokat der kontinentalen «Planetisten» höflich, aber bestimmt gegen den Vorschlag des Insulaners Herschel. Es sei letztlich nur eine Frage der Übereinkunft zwischen Fachgelehrten, schreibt Gauß, ob man Ceres und Pallas als Planeten ansehen wolle oder nicht. Und da kein einziger Astronom Herschels Vorschlag gutgeheißen habe, gäbe es auch keinen Grund, einen neuen Terminus für die beiden neuentdeckten Objekte einzuführen. Entscheidendes Merkmal eines Planeten sei doch wohl nach alter astronomischer Tradition die kreisähnliche Bahn und die davon abhängige andauernde Gegenwart des Himmelskörpers. Diese Eigenschaft habe immer als das Wesentliche gegolten, sodass «die Astronomen sogleich den Planetismus ohne weiteres anerkannt haben, sobald sie sich von jener Beschaffenheit der Bahn überzeugt hielten.» [GauVI: 231].
    Ironischerweise reklamieren sowohl Herschel als auch Gauß die Titius-Bode-Reihe jeweils als Kronzeugin für ihre Argumentation. Während Herschel die vermeintliche Gesetzmäßigkeit der harmonischen Zahlenreihe als Beweis dafür ins Feld führt, dass es keine zwei Planeten zwischen Mars und Jupiter geben kann, versucht Gauß, Herschels Argumentation ad absurdum zu führen, indem er ihr den Rang eines physikalischen Gesetzes ganz und gar abspricht. Ungerührt zerpflückt er die Logik der Zahlen und rechnet haarklein vor, dass die Titius-Bode-Reihe auf Merkur beispielsweise überhaupt nicht zutreffe – was eigentlich jedem Astronomen die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste, denn offenbar hat noch niemand zuvor die Zahlenverhältnisse nachgerechnet und diesen eklatanten Fehler bemerkt. Und auch bei allen anderen Planeten seien Ungenauigkeiten im Spiel, sodass die Titius-Bode-Reihe sich höchstens als grobe Annäherung betrachten ließe, eine Faustregel, die mit penibler Wissenschaft nichts zu tun habe und eher ins Reich der Kepler’schen Träume gehöre. Auch wenn diese Planetenharmonie einmal wichtigste Antriebsquelle für die Planetisten unter Zachs Leitung für die Suche nach Ceres gewesen sei, so könne sich ein echter Wahrheitssucher künftig auf diese trügerische Muse nicht mehr verlassen. Zach druckt Gauß’ Brief, süffisant

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