Gauß: Eine Biographie (German Edition)
Schwester ist Köppes erste Frau gewesen [Mac: 18]. Nach ihrem Tod sind Schwager und Schwägerin nun gerade frisch verheiratet. Gauß kennt Karl Köppe vermutlich aus dem geselligen Kreis des Weißgerbermeisters Georg Karl Ritter, bei dem seine Mutter Dienstmädchen war, bevor sie Gebhard Gauß heiratete. Ritter war Trauzeuge seiner Eltern und ist Carl Friedrichs Taufpate. In Ritters Haus treffen sich wohlhabende Handwerksmeister und Kaufleute zu geselligen Runden, die in diesen Wochen und Monaten hin und wieder auch Gauß besucht. Die Plaudereien, so meint Braunschweigs Stadtarchivar Ludwig Hänselmann zu wissen, sind «heiteren Tones, bürgerlich anspruchslos, dabei aber nicht ohne einen Anflug der feineren Bildung die in unserer Stadt grade damals auch im Mittelstande Eingang zu finden begann». Sodass die Treffen einen «Reiz auf ihn [ausübten], dem er sich in einzelnen Stunden der Erholung gern überließ» [Hän: 67]. Nach der Gehaltserhöhung ist Gauß bei Schröder in der Wendenstraße ausgezogen und hat eine Wohnung in dem Eckhaus am Steinweg gemietet, das Ritter gehört, mit direktem Blick aufs herzogliche Schloss. So mag er in den Ritter’schen Gesprächskreis geraten sein, wo er wahrscheinlich die Bekanntschaft von Karl Köppe macht, der ihm seinen Garten mit freiem Brockenblick für die astronomischen Beobachtungen anbietet.
Dorothea Köppe ist 23 Jahre alt und die Tochter des Lohgerbermeisters Johann Christian Andreas Müller. Sie ist hier in der Südstadt, ganz in der Nähe von Köppes Grundstück, geboren und aufgewachsen. Dorotheas beste Freundin aus Kindheitstagen heißt Johanna Osthoff, die Tochter des Weißgerbermeisters Christian Ernst Osthoff aus der Nachbarschaft. Sie ist ebenfalls 23 Jahre alt und auch nach Dorotheas Hochzeit, wann immer es geht, in ihrer Nähe.
Und so wird sie sich an einem dieser Augusttage dem prominenten, etwas scheuen Doktor genähert haben. Wahrscheinlich mit Dorotheas Rückendeckung. Plötzlich steht sie, mehr hingeschubst als selbst gegangen, dann doch noch im Fadenkreuz seines Sextantenfernrohrs und versperrt ihm die Sicht auf den Brocken. Gauß blickt auf und wird sich hoffentlich sofort an die Warnung seines Freundes Bolyai aus dem verwunschenen Transsilvanien erinnern: «… verliebst du dich in ein paar schöne Augen o! traue der Stunde nicht …» Offenbar gefällt ihm, was er sieht. Aber er hat schon eine Verabredung mit Baron Franz Xaver von Zach. Sie wollen vom Brocken aus gemeinsam zur Seeberger Sternwarte reisen. Zunächst aber eilt Gauß mit dem Braunschweiger Geheimrat von Ende, der die Brockensignale in seiner Wohnung registriert hat, nach Helmstedt zu seinem Doktorvater Pfaff, in dessen Garten man ebenfalls hervorragend die Blitze beobachten kann.
Auf dem höchsten Berg des Harzes lernen Zach und Gauß sich nun auch persönlich kennen, nachdem sie bereits seit vier Jahren miteinander korrespondieren. Und auf dem Seeberg bei Gotha darf Gauß endlich durch professionelle Teleskope «die spröden Göttinnen» [Olb1: 167] Ceres und Pallas am Himmel suchen und beobachten. Aber er stellt auch erschrocken fest, dass er viel zu oft an seinen neuentdeckten Stern Johanna in Braunschweig denken muss. Der König von Preußen hat Zach damit beauftragt, vom Seeberg aus seine neueroberten Länder zu vermessen. Für die kniffligen theoretischen Probleme und die anfallenden Rechnungen hat er sich die Mitarbeit von Gauß gesichert. Das ist der eigentliche Grund, warum der Baron ihm nun doch noch die berühmte Seeberger Gastfreundschaft gewährt.
Im Dezember fährt er gemeinsam mit Zach in seine Heimatstadt zurück, um das Projekt «Sternwarte Braunschweig» voranzutreiben. Sie finden ein leerstehendes Pulvermagazin, das sich nach Zachs Vorstellungen hervorragend für den Ausbau zu einem Observatorium eignet. Doch es kommt zu Missstimmungen und Missverständnissen zwischen Zimmermann, Zach und dem Herzog, die sich nie völlig aufklären lassen. Der Direktor der Seeberger Sternwarte argwöhnt, ohne Veranlassung des Herzogs nach Braunschweig gekommen zu sein. Offenbar spinnen Unbekannte Intrigen: «Ich bin gezwungen anzunehmen, dass ein unberufener homme double aus unlauteren Motiven diese Insinuation gemacht habe», schreibt Gauß an Olbers. Zach fühlt sich vom Braunschweiger Herzog unangemessen behandelt, kehrt ohne konkreten Auftrag zum Bau der Sternwarte nach Gotha zurück und friert anschließend den Kontakt zu Gauß für neun Monate ein. Es ist ein seltsames
Weitere Kostenlose Bücher