Gauß: Eine Biographie (German Edition)
Auf und Ab zwischen den beiden. Jeder braucht den anderen, aber ein echtes Vertrauensverhältnis oder die selbstverständliche Herzlichkeit wie zwischen ihm und Olbers scheint nicht aufzukommen.
Johanna Osthoff sieht er zwar wieder, kommt aber erst im nächsten Frühjahr wieder mit ihr ins Gespräch. In einem Brief an Wolfgang Bolyai vom 28. Juni 1804 offenbart er sich schließlich dem Freund, allerdings erst, nachdem er streng diszipliniert all dessen Fragen nach dem Wohlbefinden gemeinsamer Bekannter, nach der Züchtung Borstorfer Winteräpfel, der Laplace’schen Mondtheorie und dem «dummen Aberglauben» Astrologie beantwortet hat. Doch dann spricht er von seinem «herrlichen Mädchen * , ganz so wie ich mir immer eine Gefährtin meines Lebens gewünscht habe. Ein wunderschönes Madonnengesicht, ein Spiegel des Seelenfriedens und der Gesundheit, zärtliche etwas schwärmerische Augen, ein tadelloser Wuchs, das ist etwas, ein heller Verstand und eine gebildete Sprache das ist auch etwas, aber nun eine stille, heitre, bescheidne, keusche Engelsseele, die keinem Wesen wehe thun kann, die ist das beste. Koketterie und Sucht zu glänzen sind ihr fremd». Anschließend knöpft er sich den Freund vor und kommt auf dessen Warnung vor den Frauen zu sprechen: «Himmel und Hölle! Ich vereise vor dem Bild, das du von den Weibern machst. Welcher finstere Dämon führte Deine Feder …» [Bol: 61 f.] Seine Überzeugung von der «Vortrefflichkeit ihres Herzens» sei nicht das Resultat verblendeter Leidenschaft, sondern unbefangener, kühler Beobachtung aus der Ferne. Der ungarische Freund freut sich für Gauß. Aber ein Hauch Spott muss sein. Das Bild, das er von seiner Johanna male, ließe selbst Sokrates nicht kalt: «So ein Blick wäre ein zündender Strahl in die ganze Feuermasse der Mannheit». Er aber lasse sich nicht mehr davon täuschen und erkenne unter der «blühenden Energie der Glieder … das darunter steckende Skelett» [Bol: 64]. Und dann schreibt er jenen Satz, an den Gauß sich in seiner zweiten Lebenshälfte wahrscheinlich noch oft mit Bitterkeit erinnern wird: «Mein überhaupt kränkliches Weib ist erst von einem Fieber aufgekommen … Es ist ein grosses verstimmendes Unglück ein kränkliches Weib zu haben» [Bol: 65].
Am 12. Juli 1804 fasst Gauß sich endlich ein Herz und schickt Johanna Osthoff eine Liebeserklärung:
«… Lassen Sie es mich endlich einmal Ihnen aus der Fülle meines Herzens sagen, dass ich ein Herz für Ihre stillen Engelstugenden, ein Auge für die edlen Züge habe, die Ihr Angesicht zu einem treuen Spiegel dieser Tugenden machen. Sie, gute bescheidene Seele, sind so fern von aller Eitelkeit, daß Sie Ihren eigenen Werth selbst nicht ganz kennen; Sie wissen es selbst nicht, wie reich und gütig Sie der Himmel ausgestattet hat. Aber mein Herz kennt Ihren Werth … Längst gehört es Ihnen. Werden Sie es nicht zurückstoßen? Können Sie mir das Ihrige geben? Können Sie, Theure, die dargebotene Hand annehmen, gern annehmen? An der Antwort auf diese Frage hängt mein Glück. Ich kann Ihnen zwar jetzt nicht Reichthum, nicht Glanz anbieten. Doch Ihnen, Gute, – ich kann mich in Ihrer schönen Seele nicht geirrt haben – sind ja Reichthum und Glanz ebenso gleichgültig wie mir. Aber ich habe mehr als ich für mich allein brauche, genug um zweien genügsamen Menschen ein sorgenfreies anständiges Leben zu bereiten, meiner Aussichten in die Zukunft gar nicht einmal zu gedenken. Das Beste, was ich Ihnen anbieten kann, ist ein treues Herz voll der innigsten Liebe für Sie.
Prüfen Sie, geliebte Freundin, Sich selbst, ob dies Herz Ihnen ganz genügt, ob Sie seine Empfindungen ebenso aufrichtig erwidern, ob Sie die Lebensreise, Hand in Hand mit mir, mit Wohlgefallen machen können, und entscheiden Sie bald. Ich habe Ihnen, Beste, die Wünsche meines Herzens in kunstlosen aber aufrichtigen Worten vorgestellt … Verkennen Sie … die Reinheit meiner nicht selbstsüchtigen Liebe nicht. Ich will Ihren Beschluß nicht bestechen. In der ernstesten Angelegenheit Ihres Lebens müssen Sie sich durch gar keine fremden Rücksichten bestimmen lassen. Sie sollen nicht meinem Glücke ein Opfer bringen. Ihr eigenes Glück allein muß Ihre Entscheidung leiten. Ja, Theuerste, so innig ich Sie auch liebe, so kann doch Ihr Besitz nur dann mich glücklich machen, wenn Sie es mit mir zugleich sind.
Ich habe Ihnen, Geliebte, das Innere meines Herzens aufgedeckt: sehnsuchtsvoll harre ich Ihrer Entscheidung
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