Gauts Geister 4 - Ehrengarde
nicht
einmal den Sektor des anderen in der Stadt besucht. Und hätten ganz sicher nicht
mit einem Glas in der Hand zusammengesessen und uns mit den schmutzigen Zehen
zugewunken.«
»Wollen Sie damit sagen, dass
ich ein Snob bin?«, fragte sie, noch über seine letzte Bemerkung lächelnd.
»Ich will damit nur sagen, dass
ich ein Außenhabber war, ein Grubenarbeiter, also ein Angehöriger der untersten
Arbeiterschicht. Sie waren eine vornehme Ärztin in der kollektiven
Krankenanstalt eines Innenhabs. Gute Schulbildung, anständige gesellschaftliche
Kreise.«
»Wie Sie das sagen, komme ich
mir wie eine verwöhnte reiche Göre vor.«
»Das ist nicht meine Absicht.
Ich meine nur, sehen Sie sich an, was wir waren, und jetzt sehen Sie sich an,
wo wir sind. Der Krieg stellt schon komische Sachen an.«
»Zugegeben.« Sie hielt inne und
trank noch einen Schluck. »Aber ich war kein Snob.«
Er lachte. »Haben Sie
irgendwelche Außenhabber so gut gekannt, dass Sie sie mit dem Vornamen
angesprochen haben?«
Sie überlegte angestrengt.
»Jetzt kenne ich welche«, sagte sie, »was der eigentliche springende Punkt ist.
Der springende Punkt, auf den Sie, glaube ich, hinauswollten.«
Er prostete ihr mit seinem Glas
zu, und sie erhob es ebenfalls.
»Auf die Vervunmakropole«,
sagte er.
»Auf die Vervunmakropole und
alle ihre Bewohner«, sagte sie.
»Gak, was ist das für ein
Zeug?«
»Sacra. Das bevorzugte Gift der
Männer von Tanith.«
»Aha.«
Sie saßen einen Moment
schweigend da und lauschten den gelegentlich gerufenen Befehlen und gemurmelten
Unterhaltungen draußen.
»Ich sollte wieder zurück ins
Lazarett«, begann sie.
»Sie brauchen Ruhe, Ana. Mtane
kann für ein paar Stunden übernehmen.«
»Ist das ein Befehl, Sergeant
Kolea?«
»Ja. Ich entwickle langsam eine
Vorliebe für Befehle.«
»Denken Sie eigentlich ...
immer noch an sie?«, fragte sie unvermittelt.
»An wen?«
»An Ihre Frau. An Ihre Kinder.
Verzeihen Sie, ich will mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen.«
»Ist schon in Ordnung.
Natürlich tue ich das. In den letzten Tagen sogar mehr denn je.«
»Warum?«
Er seufzte und stand auf. »Es
ist etwas ganz Merkwürdiges passiert. Ich habe es noch niemandem gesagt. Ich wusste
nicht, was ich sagen sollte. Oder auch tun, wenn ich ehrlich bin.«
»Jetzt haben Sie meine Neugier
geweckt«, sagte sie, indem sie sich mit dem Glas in beiden Händen vorbeugte.
»Meine liebe Livy und meine
beiden Kinder ... sind in der Vervunmakropole gestorben. Ich habe um sie
getrauert. Ich habe lange Zeit nur gekämpft, um sie zu rächen. Nur dieser
Wunsch nach Vergeltung hat mich die Zeit des Widerstands überstehen lassen,
glaube ich. Und jetzt stellt sich heraus ... meine Kinder sind gar nicht tot.«
»Nicht? Wie kommt das? Und
woher wissen Sie es?«
»Da wird es wirklich komisch.
Sie sind hier.«
Sie sah sich um.
»Nein, nicht in diesem Raum.
Jetzt auch nicht mehr auf dem Planeten, hoffe ich. Aber sie sind bei den
Geistern. Sie sind schon seit der Vervunmakropole bei den Geistern. Ich habe es
nur nicht gewusst.«
»Wie ist das möglich?«
»Tona Criid. Sie kennen sie?«
»Ich kenne Tona.«
»Sie hat zwei Kinder.«
»Ich weiß. Sie sind beim Regimentstross.
Ich habe sie bei der medizinischen Untersuchung persönlich geimpft. Ein
gesundes Paar voller ... voller ... ach, Gol.«
»Es sind nicht ihre. Jedenfalls
nicht von Geburt an. Criid sei Dank, sie hat sie im Kriegsgebiet gefunden und unter
ihre Fittiche genommen. Sie während des ganzen Krieges beschützt und dann
mitgebracht, als sie sich den Geistern anschloss. Fraglos betrachten sie sie
jetzt als ihre Mutter. Sie sind noch so jung und Criid ist es auch. Und Caffran
ist so gut wie ein Vater für sie.«
Sie war benommen. »Woher wissen
Sie das?«
»Ich habe es zufällig
herausgefunden. Sie hat Holos von ihnen. Dann habe ich mich umgehört, ganz
unauffällig, und die ganze Geschichte erfahren. Tona Criid hat meine Kinder vor
dem sicheren Tod bewahrt. Sie sind jetzt beim Tross unseres Regiments. Der
Preis, den ich für diesen Segen bezahle, ist der ... dass sie für mich verloren
sind.«
»Sie müssen mit ihr reden, es
ihr sagen!«
»Und was soll ich sagen? Sie
haben so viel durchgemacht, würde das nicht nur alle Aussichten auf ein
stabiles Leben zunichte machen, die sie jetzt noch haben?«
Kopfschüttelnd hielt sie ihm
das Glas für einen Nachschlag hin.
»Sie müssen es tun ... Es sind
ihre.«
Er schenkte ihr nach. »Sie sind
zufrieden und
Weitere Kostenlose Bücher