Gauts Geister 6 - Tödliche Mission
Rawne und Corbec den Tod zu
wünschen, damit er die verghastitischen Stärken zum Tragen bringen konnte.
Jetzt war es so weit, und er empfand nur ein schneidendes
Verlustgefühl.
»Herr Kommissar?«, rief Beltayn. Gaunt ging zu seinem
Adjutanten, der angestrengt dem Kopfhörer seines Kom-Geräts lauschte.
»Kein Glück mit dem Marschall, Herr Kommissar«, erläuterte
Beltayn, »aber ich habe mit seinem Adjutanten gesprochen. Sie sind morgen
Nachmittag zum gemeinsamen Essen mit den Stabschefs in Meiseq eingeladen. Um
Punkt sechzehn Uhr. Galauniform.«
Larkin wanderte zwischen den Stellungen 290 und 291 durch
den Schützengraben, sein Präzisionsgewehr in der einen Hand und die tanithische
Klinge in der anderen. Soldaten gingen ihm aus dem Weg. Der Irre Larkin war
wieder irre.
»Larks?«, rief Corbec ihm zu, der sich ihm näherte.
»Wie geht's Ihnen?«
Corbec hatte soeben dafür gesorgt, dass Sillo zu einer
Sammelstation unterwegs war, als ihn die Nachricht erreichte, dass Larkin
wieder auf der Pirsch war. »Er sieht total übergeschnappt aus!«, hatte Soldat
Bewl aufgeregt gemeldet.
Larkin blinzelte und erkannte Corbec langsam. Er starrte
auf die Waffen in seinen Händen, als sei er sich ihrer erst jetzt bewusst
geworden, und legte sie behutsam auf den Schützengang. Dann setzte er sich
neben sie.
Corbec scheuchte die gaffenden Soldaten ringsumher zu
ihren Pflichten zurück und setzte sich neben Larkin.
»Schlimmer Tag, Larks?«
»Furchtbar.«
»Es war überall heftig. Wollen Sie über irgendwas reden?«
»Ja.« Larkin hielt inne.
Er öffnete den Mund, um den Namen »Lijah Cuu«
auszusprechen, verkniff es sich aber. Eigentlich wollte er Corbec alles über
Cuu erzählen. Cuu, den Wahnsinnigen. Cuu, den Psycho. Cuu, der ihn ohne den
plötzlich einsetzenden Granatbeschuss umgebracht hätte.
Cuu, der Bragg ermordet hatte. Doch jetzt kam es ihm
sinnlos vor.
Loglas, der einzige Zeuge, war tot. Wenn Larkin Cuu
beschuldigte, würde Cuus Wort gegen seines stehen. Und Cuu hatte sich bis jetzt
als kugelsicher erwiesen.
Larkin wusste, dass Colm ihn ernst nehmen würde. Aber er wusste
auch, dass Colm an die Regeln gebunden war.
Kaum gingen die Granaten nieder, war Cuu geflohen und
hatte Larkin allein gelassen. Er war so verängstigt gewesen, die Arme über dem
Kopf verschränkt und die Augen geschlossen, dass es einen Moment gedauert
hatte, bis ihm aufging, dass Cuu tatsächlich nicht mehr da und nur noch seine
Furcht vor Cuu geblieben war.
Nein, es war witzlos, entschied Larkin. Der einzige Weg,
sich von seiner Furcht zu befreien, bestand darin, sich ihr zu stellen. Corbec
konnte ihm nicht helfen. Gaunt konnte es nicht. Das System konnte es nicht.
Lijah Cuu musste sterben. So einfach war es. Cuu wollte
die Rechnung begleichen, richtig? Also würde sie beglichen werden.
Verdammt korrekt, so sicher wie sicher, so oder so.
»Larks?«, sagte Corbec. »Was wollten Sie mir erzählen? Sie
sehen aus, als hätte sie irgendwas ziemlich aufgebracht.«
»Das hat es auch«, sagte Hlaine Larkin. »Loglas hat's erwischt«,
bekannte er. Das stimmte, aber es war auch eine Lüge. Nicht deswegen war
Larkin so aufgebracht. Aber mehr brauchte Corbec nicht zu wissen.
SECHS
Eine Hand gibt,
eine Hand nimmt
»Ich sage, wenn sie unbedingt
schleichen wollen, sollen
sie. Es würde
mich interessieren, große
Schleicher
bei der Arbeit zu erleben.«
— Oberst Ankre
In dieser Nacht und am folgenden Morgen blieb es im 55.
Abschnitt gnädigerweise ruhig. Es war, als habe die Flut des Krieges an diesem
Teil der Front einen Höchststand erreicht und sei nun abgeebbt.
Doch anderswo war Flut. Weiter entlang des Naemetals
litten die Abschnitte 46 und 47 unter einem zwölfstündigen unablässigen
schweren Granatbeschuss. Ein beträchtlicher Teil der so genannten
Seronnelinie, die vom Ende des Peinforq-Abschnitts in östlicher Richtung quer
durch das Land zum Kottmark-Massiv verlief, lag zunächst unter Beschuss und
war anschließend einem Panzerangriff ausgesetzt. Die schlimmsten Zusammenstöße
ereigneten sich südlich des Vostl-Deltas.
Im Norden fanden bei Loncort und Salient unablässig
leichte Angriffe und Überfälle statt. Unbestätigte Meldungen kursierten, die
Abschnitte nördlich von Gibsgatte hätten unter der schwersten Offensive des
Jahres zu leiden und dort tobe immer noch die Schlacht.
Der Morgen graute feucht und neblig. Mit Beltayn als
einzigem Begleiter fuhr Gaunt nach
Weitere Kostenlose Bücher