Gauts Geister 6 - Tödliche Mission
Armaturenbrett zu schaffen. Mit
lautem Quietschen wurde das Dach auf zieharmonikaartigen Stahlbügeln nach
hinten geschoben und dabei zusammengefaltet, bis der Wagen offen war.
Gaunt stieg hinten ein. Beltayn drehte sich zu ihm um und
hob seine verbundene Hand in einer ziemlich jämmerlichen Geste.
»Ich ... äh ... glaube nicht, dass ich mit der Schaltung
zurechtkomme, Herr Kommissar«, sagte er. Gaunt schüttelte belustigt den Kopf.
»Also Platztausch«, sagte er.
Sie tuckerten den Waldweg entlang und ließen die Kapelle
hinter sich.
Die durch das Blätterdach einfallenden Sonnenstrahlen
sorgten für ein beständiges Wechselspiel zwischen Licht und Schatten.
»Na ...«, rief Beltayn von hinten, um den Lärm des
Acht-Zylinder-Motors zu übertönen, »... wie seltsam war das denn?«
»Vergessen Sie's!«, brüllte Gaunt in den Fahrtwind,
während er zurückschaltete und das massive, alte Automobil um eine enge Kurve
manövrierte. »Sie hat sich nur nach Gesellschaft gesehnt.«
»Aber sie weiß von Brin ...«
»Nein, weiß sie nicht. Nur ein paar rätselhafte Bemerkungen.
Mehr nicht. Makropol-Marktprediger benutzen ständig solche Methoden. Die
Leichtgläubigen fallen darauf herein.«
»Aha. Also hat sie versucht, uns für dumm zu verkaufen?«
»Nichts so Berechnendes. Sie war nur ... nicht ganz da.«
Ein Viehweg brachte sie nach Veniq, wo sie eine durch
offenes Ackerland führende Straße nach Shonsamarl nahmen, die sie zur
Nordschnellstraße brachte. In Südrichtung war die Straße mit Munitionskonvois
und Truppentransportern verstopft. In Nordrichtung stießen sie auf das Ende
einer Kolonne von schweren und leichten Gardepanzern auf dem Weg nach
Gibsgatte. Sie spielten Froschhüpfen mit der Panzerkolonne, so gut es der entgegenkommende
Verkehr gestattete, bis die Kolonne bei Chossene abbog. Danach fuhren sie über
den Naeme-Viadukt und durch die Getreidefelder der Provinz Loncort.
Ein unbeständiger Wechsel von leichtem Regen und
Sonnenschein verfolgte sie den ganzen Nachmittag auf Schotterstraßen, die wie
Bänder über den salzig-grünen Feldern lagen. Sie sahen langsame Formationen alliierter
Dreidecker nach Osten zur Front fliegen und ein- oder zweimal das Funkeln
imperialer Luftunterstützung, die mit Überschallknall vorbeiraste und diesem
altmodischen Schauplatz eine neue Art des Krieges brachte.
Kurz vor 18:00 Uhr sah Gaunt die Silhouette Meiseqs über
den Feldern aufsteigen.
Meiseq war eine neue Stadt auf alten Wurzeln. In den ersten
Jahren des Aexe-Krieges war sie dem Erdboden gleichgemacht worden, als der
erste Vorstoß der Shadiks querfeldein bis zur Obernaeme gekommen war. Fünf Jahre
Gegenwehr mit dem Kulminationspunkt der Schlacht von Diem hatten den Feind
schließlich aus einem Teil des Gebiets vertrieben, dessen Eckpunkte im
Nordwesten Gibsgatte und im Südosten Loncort waren. Dieses Gebiet, das so
genannte »Meiseq-Quadrat«, war nun vielleicht die robusteste Verteidigungslinie
der Allianz und bildete den Mittelabschnitt der Nordfront. Im Süden, von
Loncort, verlief die Peinforqlinie, die das Naemetal hielt. Im Norden befanden
sich die stark umkämpften Abschnitte hinter Gibsgatte. Die Allianz hielt den
Kessel für so sicher, dass sie die Gebiete rings um Diem in einen Gedenkfriedhof
für die Gefallenen umgewandelt hatte. Ein ewiges Licht brannte neben der
Kathedrale von Diem, und die Wiesen ringsherum waren ein Meer aus unzähligen
Reihen weißer, umgekehrt herzförmiger Grabsteine.
Meiseq war wiederaufgebaut worden. Die Gebäude bestanden aus
Pressspan, das mit einer Emulsion aus Beton überzogen war.
Die Stadt schmiegte sich an eine Böschung oberhalb einer
Biegung in der Obernaeme und war von einer Palisade aus Holzpfählen und
Flakbrettern umgeben. In ihrer Mitte erhob sich die hölzerne Kathedrale San
Jeval.
Als sie durch das Festungstor im Südwall in die Stadt
einfuhren, dunkelte es bereits. Die Glocken der Kathedrale läuteten, und
Lampenanzünder entzündeten die Gaslaternen, welche die Straßen säumten.
Meiseq erinnerte Gaunt an eine Frontstadt. Die vorgefertigten
Bauwerke rochen neu und standen in krassem Gegensatz zu den alten steinernen
Ansiedlungen, die er bisher auf Aexe gesehen hatte. Die Stadt war strategisch
bedeutsam und wollte Besucher dies wissen lassen, aber sie schien kaum mehr als
ein Lager zu sein, ein Schanzwerk. Es roch nach Dachpech und schwitzendem
Holz.
Er erinnerte sich an die Besetzung einer Stadt namens Rakerville
vor Jahren mit den
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