Gauts Geister 6 - Tödliche Mission
Pflugs durch ein Kornfeld, und zwar bis zur
linken Seite des Halses. Innerlich stieß er einen tiefen Seufzer aus. Er hätte
sich von ihrem Gerede beinah einwickeln lassen. Er war kurz davor gewesen zu
glauben, sie seien über ein prophetisches Wesen gestolpert — oder gar
schicksalhaft zu ihm geführt worden. Doch nun bekam alles, sogar ihre
eigentümlich passenden Bezugnahmen auf Milo, eine ganz andere Bedeutung.
Sie war verrückt. Hatte in einer lange zurückliegenden
Kampfhandlung einen Hirnschaden erlitten. Durch ihre einsame Wacht praktisch
jeglicher Kontakte mit anderen Menschen beraubt, schwadronierte sie, redete sie
mit Schatten.
Gaunt musste weiter. »Hören Sie, Schwester ... wir sind
nach Meiseq unterwegs. Ich glaube, Leben hängen davon ab, dass wir dorthin
gelangen. Können Sie uns irgendwie helfen?«
»Eigentlich nicht. Nicht im großen Gesamtbild aller Dinge.
Sie werden sich selbst helfen müssen. Sie und der Junge, meine ich. Was Meiseq
betrifft ... ich wollte da nicht hin. Ein hässlicher Ort. Eine Beleidigung für
das Auge. Aber Sie können sich meinen Wagen borgen, wenn Sie wollen.«
»Ihren Wagen?«
»Ich habe keine Verwendung mehr für ihn. Er steht in einer
der Scheunen auf der anderen Seite des Wegs. Sie müssen vielleicht ein paar
Schlingpflanzen von den Türen entfernen, aber der Wagen läuft. Ich lasse jeden
Tag den Motor laufen. Die Schlüssel hängen an dem Haken am Türpfosten.«
Gaunt nickte Beltayn zu, und der Adjutant eilte aus der
Kapelle.
»Ist er weg?«, fragte sie.
»Er sieht nach dem Wagen«, antwortete Gaunt.
»Setzen Sie sich zu mir«, flüsterte sie.
Gaunt setzte sich neben sie auf die Bank. Sie redete zwar
wirres Zeug, aber Schwester Zaker tat ihm auch einen Gefallen, also konnte er
ein, zwei Minuten höflich sein und ihr ihren Willen lassen. Er roch wieder
diesen Blumenduft. Woher kannte er ihn?
Wo hatte er ihn schon gerochen?
»Es wird schwer«, begann sie.
»Was wird schwer?«
»Herodor«, erwiderte sie.
»Herodor?« Das einzige Herodor, das Gaunt kannte, war eine
taktisch belanglose Kolonialwelt ein ganzes Stück weit in Richtung Zentrum. Er
zuckte die Achseln.
»Ich darf ein paar Dinge weitergeben«, sagte sie. »Schaden
droht von überallher. Aber der größte Schaden droht letzten Endes von innen.
Aus dem eigenen Körper.«
»Aus meinem Körper?«, fragte Gaunt unwillkürlich.
Eigentlich wollte er dieses Gespräch gar nicht führen. Aber sie hatte
Höflichkeit verdient.
»Bildlich gesprochen, Ibram. Ihr Körper, wie DeMarchese
den Körper beschreibt. Haben Sie DeMarchese gelesen?«
»Nein, Schwester.« Gaunt wusste nicht einmal, wer
DeMarchese war.
»Na, dann tun Sie's. Der Schaden droht von zwei Stellen.
Zwei Gefahren, die eine wahrhaft böse, die andere missverstanden. Letztere ist
der Schlüssel. Es ist wichtig, dass Sie das nicht vergessen, weil ihr
Kommissare furchtbar schnell mit dem Finger am Abzug seid. Ich glaube, das ist
alles. Oh, warten Sie, da ist noch etwas anderes. Lassen Sie sich von Ihrem
schärfsten Auge die Wahrheit zeigen. Das ist es. Von Ihrem schärfsten Auge.
Tja, das war's. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.«
»Ich ...«, begann Gaunt.
»Ich muss jetzt den Boden fegen«, sagte sie.
Sie hielt inne und wandte den Kopf in seine Richtung. »Ich
sollte das wirklich nicht sagen. Ich überschreite die Grenzen, die mir und
meiner Rolle gesetzt sind ... aber wenn Sie sie sehen, bestellen Sie ihr Grüße
von mir. Bitte. Ich vermisse sie.«
Draußen störte das Husten und Röhren eines anspringenden
Motors die jähe Stille.
»Natürlich«, sagte Gaunt. Er nahm sanft ihre Hand und
küsste sie.
»Der Imperator beschützt Sie, Schwester.«
»Er wird alle Hände voll zu tun haben, Sie zu beschützen,
Ibram«, erwiderte sie. »Sie und diesen Jungen.« Gaunt war bereits unterwegs zum
Ausgang. »Wir bringen den Wagen zurück.«
»Ach, behalten Sie ihn«, sagte sie mit einer Handbewegung,
die den Wagen als unwesentlich abtat.
Draußen auf dem nassen Weg saß Beltayn hinter dem Steuer
einer massigen alten Limousine. Die nachtblaue Karosserie war mit Rostflecken
übersät, und die Trittbretter waren mit Flechten überzogen. Unkraut spross aus
Kühlergrill und Stoßstangen.
Beltayn hatte die Scheinwerfer eingeschaltet, die wie die
Augen eines nachtaktiven Raubtiers leuchteten.
Gaunt ging zum Wagen und strich mit der Hand über die
graue Haut des Faltdachs.
»Können wir das öffnen?«, rief er.
Beltayn machte sich am
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