GB84: Roman (German Edition)
geht ran und hört zu –
»Zweihundertsiebzig für hin und zurück?« fragt er. »Das sind fünfundsiebzig Prozent. Fantastisch.«
Der Jude legt auf und ruft im Süden an –
»Was hab ich gesagt?« meint der Jude. »Er hat schon verloren.«
MARTIN
damit jeder, der arbeiten will, dies auch tun kann. Er droht allen, die das verhindern wollen, mit Gefängnis. Ich hänge den ganzen Nachmittag im Haus rum. Glotze und löse Kreuzworträtsel. Ich bin diese Woche wieder nachts eingeteilt. Cath macht Überstunden. Wir kriegen uns gar nicht mehr zu sehen. Um halb fünf erreiche ich Thurcroft. Ein Pint im Hotel. Eins im Welfare Club. Die Kumpel treffen sich gegen halb acht. Jetzt, da sie ihre Abstimmung hatten und einer von uns tot ist, ist alles anders. Aggressiver. Und einen Bus brauchen wir auch nicht mehr. Ich sehe schon vor mir, wie es weitergeht – volle Härte. Es vermietet uns ohnehin keiner einen Bus – käme ja auch keiner durch. Privatwagen und Lieferwagen, mehr nicht. Fünfzehn bis zwanzig pro Schicht. Peter reicht uns Zettel mit dem Namen der Zeche und dem besten Hinweg. Diesmal geht es wieder ins beschissene Bentinck. Er gibt uns den Lohn für die Streikschicht und Benzingeld. Drei Kumpel und ich sind heute Nacht mit Geoff eingeteilt. Die Tagschicht hat gemeldet, dass auf der ganzen Zeche Bullen rumlaufen.
Krk-krk
. Und fackeln tun die auch nicht lange. Kennzeichen, Namen, ab mit euch dahin, wo ihr hergekommen seid. Ein paar Kumpeln haben sie gesagt, sie sollen morgen früh als Erstes mit ihren Führerscheinen aufs Revier kommen. Wir haben Straßenkarten dabei. Wir probieren es gar nicht erst auf dem normalen Weg, wie Pete ihn aufgeschrieben hat. Äcker und Farmwege. Über uns Helikopter mit riesigen Suchscheinwerfern. Alle senken die Köpfe, nur Geoff nicht – Eine Stunde später geben wir’s auf mit Bentinck. Der reinste Polizeistaat. Geoff ruft in Silverwood an.
Klick-klick
. Wir sollen Harworth probieren, doch dann taucht ne Wagenladung Kumpels aus Markham auf. Die haben Funk. Wollen nach Bilsthorpe – wissen einen guten Weg dahin. Wir folgen ihnen – besser, als zwischen Chipstüten auf dem Boden von Geoffs Wagen zu liegen. Bis wir da sind, ist es halb neun. Hab noch nie so viele beschissene Bullen auf einem Haufen gesehen. Wir parken auf der Hauptstraße am Straßenrand und schließen uns dem Streikposten am Eingang zur Zechenstraße an. Ein paar Scabs sind ebenfalls aufgetaucht. Die trödeln auch nicht rum. Schnurstracks in die Zeche. Bei den vielen Bullen sieht man sie die meiste Zeit nicht mal – Schubsen. Schreien. Scab. Schubsen. Schreien. Scab. Ab und zu grölen wir ein Lied. Hohn und Spott von den Bullen. Das geht ein paar Stunden so – Schubsen. Schreien. Scab. Schubsen. Schreien. Scab – Irgendwann stehe ich direkt diesem Bullen gegenüber. Sagt uns nicht, wo er herkommt. Nicht von hier, dem Akzent nach zu urteilen. Und wie er so redet. Die haben doch abgestimmt, sagt er. Die wollen arbeiten. Warum verpisst ihr euch nicht wieder nach Yorkshire. Gegen Mitternacht hauen wir ab. Tag 17 . Cath hat mir einen Anzug aufs Bett gelegt und ein Hemd gebügelt. Ich schaue Frühstücksfernsehen. Nur ein paar Stunden Schlaf.
Ihr habt uns von den Brachfeldern geholt
. Aufstehen. Anzug an. Sitze da, bis es Zeit ist. Grüble vor mich hin. Wir treffen uns um eins im Welfare Club. Etwa zwanzig Wagen und Banner. Um zwei am South Kirkby Cricket Club. Ein Pint, dann in die Wagen. Ich fahre wieder mit Geoff. Unglaubliche Szene am Cricketplatz: Hunderte von Bussen und Autos, Tausende und Abertausende von Kumpeln im Sonntagsanzug; Banner aus jedem Bezirk im Land; auch andere Gewerkschaften. Der Sarg wird aus dem Haus des Kumpels getragen. Fünf Wagen dahinter mit Familie und Freunden. Vorneweg ein Trommler, dann Arthur, Jack Taylor und all die anderen hohen Tiere. Das erste Banner ist von der Gewerkschaftsgruppe des Kumpels, Ackton Hall. Die Prozession zieht sich eine Meile hin bis zur All Saints Parish Church, die Straßen sind mit Frauen und Kindern gesäumt. Dreihundert Personen in der Kirche, Familie und Freunde. Alle anderen draußen, schweigend. Kumpel mit Tränen im Gesicht. Große Kerle: Pete; Geoff; ich. Es ist hart – Zwei Kinder. Kein Vater mehr – Wir folgen ihnen zum Friedhof in Moorthorpe. Der Kumpel fährt zum letzten Mal ein. Wir treffen uns auf dem Heimweg im Robin Hood. Lange Gesichter, kurze Gläser. Viel von beidem. Große Streitigkeiten entwickeln ihre eigene Logik, sagt Pete. Wird
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