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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Dem Kaiser, was des Kaisers ist. Wenigstens nicht das Streikgeld. Das nenne ich Haltung – Aber ich hab den Ausdruck auf Petes Gesicht gesehen, als die Meldung kam. Er meinte, das sei ernster, als die meisten sich vorstellen könnten. Pete hat einen klugen Kopf auf den Schultern. Kennt sich aus. Er hat uns gewarnt, keine allzu großen Hoffnungen auf die NACODS zu setzen. Und er hatte recht. Hat sowieso niemand ernstlich geglaubt, dass die für uns einstehen würden – nicht dieser Haufen – aber träumen darf man ja wohl noch, oder? Hoffen, gegen jede Vernunft – Dabei hätte es uns allen geholfen. Die und wir gemeinsam – Aber am Ende wollen die auch nur ihr Geld und keinen Ärger. Da hatten sie mal die Gelegenheit, was Anständiges zu tun. Doch stattdessen nahmen sie lieber ihre dreißig Silberlinge. Nun stehen wir schlechter da als zuvor – Mick McGahey hat uns im Fernsehen aus der Seele gesprochen. Ich bedaure die Haltung der NACODS zutiefst, hat er gesagt, erst kompromittieren sie sich vor dem NCB, und dann machen sie es der NUM, die eine grundsätzliche Lösung für diesen Konflikt sucht, nur noch schwerer – Als Nächstes sprach Arthur. Es wird keinen Kompromiss geben, sagte er nur. Es wird ein langer, harter, bitterer Kampf werden – Und dann heute Morgen, gerade wenn du denkst, es könne nicht noch schlimmer werden, kommt das NCB mit Bestechungsgeld an. Vier Wochen Urlaubsgeld für jeden, der vor dem 19. November wieder anfängt –
Scheiße
. Jetzt wollen sie uns auch noch mit unserem eigenen Geld zurückkaufen – Und ich weiß, es gibt immer welche, die blöd genug sind, das anzunehmen. Jetzt sind es schon acht Monate – Acht Monate. Vierunddreißig Wochen. Zweihundertdreißig und ein paar Tage – Pete öffnet einen Umschlag. Er liest ihn und sagt, wieder mal Kiveton. Jetzt geht’s wieder los, sagt jemand – Jetzt geht’s los, rufe ich. Jetzt geht’s los – Dann brüllen alle im Raum, jetzt geht’s los, jetzt geht’s los, jetzt geht’s los! Tag 236 . Ich hab keine andere Wahl. So wie ich das sehe – es geht um mein Überleben. Zum Überleben brauche ich Geld. Für Geld klaube ich Kohle. Ich klaube Kohle, um sie zu verkaufen – entweder das, oder ich gehe nach Southampton zurück oder anderswohin. Müsste mir Arbeit suchen. Dann könnte ich nicht mehr auf Streikposten gehen. Dann könnte ich nichts mehr für den Streik tun. Nicht mehr meine Kraft einsetzen. Das gefällt mir nicht. Bin ohnehin schon so verdammt einsam – Ich hasse die Samstage und Sonntage. Hasse sie. Das sind die schlimmsten Tage der Woche – Wenigstens haben sie meinen Schuppen in Ruhe gelassen, als sie kamen und die Möbel holten. Schubkarre und Schaufel haben sie dagelassen. Jetzt brauche ich

VIERUNDDREISSIGSTE WOCHE
    Montag, 22. Oktober – Sonntag, 28. Oktober 1984
    »Ihre Visa sind fertig«, sagte Salem.
    Terry Winters und Mohammed Divan gingen ins Libysche Volksbüro in Frankfurt und zeigten ihre Pässe vor. Die Diplomaten im Volksbüro gaben ihnen ihre Visa. Seit dem Tod von Police Constable Yvonne Fletcher im April gab es in London kein Volksbüro mehr. Sie war außerhalb des Libyschen Volksbüros am St. James’s Square von libyschen Diplomaten erschossen worden. Gleich neben dem Büro der Schlichtungsstelle. Salem hatte im Volksbüro von London gearbeitet, bis er des Landes verwiesen worden war.
    »Ihre Flüge sind gebucht«, sagte Salem.
    Er gab Terry Winters und Mohammed Divan ihre Tickets nach Tripolis. Lufthansa. Die Maschine flog am Abend los. Der Flug dauerte vier Stunden. An Bord gab es keinen Alkohol und auch keine Coca-Cola. Es gab keine Direktflüge von London aus. Nicht mehr seit der Ermordung von Police Constable Fletcher im April.
    »Man wird Sie am Flughafen abholen«, hatte Salem gesagt.
    Terry Winters und Mohammed Divan landeten um Mitternacht in Tripolis. Der Chef der Libyschen Generalgewerkschaft und drei weitere Offizielle hießen sie willkommen. Arabisches Küssen, europäisches Händeschütteln, gegenseitiges Vorstellen. Zwei Taxis warteten, um Terry und Mohammed die zwanzig Meilen vom Flugplatz in die Stadt zu fahren. Terry wurde zu seinem Wagen eskortiert. Ein Mitglied des Begrüßungskomitees setzte sich nach vorn. Terry saß allein hinten, das Taxi raste durch die Nacht. Schwarze Gebetsperlen baumelten vom Rückspiegel. Laute arabische Musik plärrte aus dem Radio. Der Taxifahrer rauchte viel und knipste ständig das Fernlicht an und aus. Das Mitglied des Begrüßungskomitees

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