GB84: Roman (German Edition)
jede beliebige Richtung davon. Polizisten stürmen hinter ihnen her. Rettungswagen, brennende Barrikaden
–
Polizeitransporter mit Maschengittern und Kuhfängern brettern gegen die Barrikaden
–
Die Luft ist voller Qualm und Qualen. Die Morgendämmerung lässt auf sich warten
–
Gewalt. Verletzungen. Verhaftungen
–
Das ist nicht, wonach der Mechaniker sucht, nicht der Grund, warum er hier ist. Er dreht sich um und geht fort
–
Jen ist nicht hier
. Jen.
Seine Jen
–
Die Fährte war falsch. Die Gerüchte gehen in die Irre
–
Gott. Sei. Dank. Verdammt.
Der Mechaniker geht zum Wagen zurück. Die Hunde bellen. Er steckt den Schlüssel ins Schloss
–
»Hallo, hallo, hallo«, sagt eine Stimme hinter ihm. »Wen haben wir denn da?«
Der Mechaniker dreht sich nicht um. Sinnlos. Er weiß, wer das ist
.
»Wusste gar nicht, dass auch bewaffnete Räuber eine Gewerkschaft haben«, sagt die Stimme. »Mitglied des TUC, richtig?«
Der Mechaniker rührt sich nicht. Sinnlos. Er schaut weiter die Hunde im Wagen an
.
»Hände auf den Kopf«, sagt die Stimme. »Langsam.«
Der Mechaniker legt langsam seine Hände auf den Hut
.
Handschellen klicken an den Handgelenken, dann sagt die Stimme: »Jetzt langsam umdrehen.«
Der Mechaniker lässt die Hände sinken und dreht sich langsam um
.
»Hallo, Dave«, sagt Paul Dixon, Special Branch. »Sie haben mich schon vermisst, hm?«
Neil Fontaine hilft dem Juden beim Ankleiden. Dann fährt er ihn zum Dinner, zur Preisverleihung von
Aims of Industry
–
Die Preisträger sind Mr. Eddie Shah, Mr. Walter Goldsmith und die Premierministerin –
Ihre Rede ist ein weiterer Sieg. Thema ihrer Rede –
Kein Zurückweichen
.
Perfektes Timing.
Perfekt
. Denn die Zeiten haben sich tatsächlich geändert. Die NACODS hat ab Donnerstag, dem 25. Oktober, einen landesweiten Streik ausgerufen. Das Kabinett ist nervös. Die City ist nervös. Das ganze Land ist nervös –
Der Jude nicht. Der Jude weiß, dass sich die Zeiten geändert haben. Ein gefährliches, teures Spiel. Aber der Jude wird siegen –
Er wird keinen Bock schießen, den entscheidenden Pass nicht vermasseln.
Der Jude flüstert der Premierministerin etwas ins Ohr, drückt ihren Arm, küsst sie auf beide Wangen, gratuliert ihr –
Er gratuliert ihr viele, viele Male für die vielen, vielen Siege –
In der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft
.
MARTIN
Baywater. Yorkshire Main. Woolley. Brodsworth. Denby Grange. Rossington – Aber das schadet ihnen nur selbst, uns nützt es. Die Leute können jetzt erkennen, wes Geistes Kinder die sind. Sie erkennen die Medienlüge –
Lächeln
– Nun unterstützen uns viel mehr Leute. Ältere. Rentner – viele, die vor zwei Wochen noch kein gutes Wort übrighatten für König Arthur und seine Rote Garde. Jetzt haben sie ihre Meinung geändert – jetzt haben sie mit eigenen Augen gesehen, wozu Polizei und Regierung fähig sind. Direkt vor ihnen. Vor ihren eigenen Haustüren – Jetzt wollen sie plötzlich auf Streikposten gehen. Pete stellt einen Dienstplan auf. Rund um die Uhr, sechs Schichten. Beide Tore. Vorn und hinten – Mindestens das halbe Dorf erscheint zur Mittagsschicht. Die Leute mögen diese Schicht – Die Streikbrecher können uns ruhig da stehen sehen. Unsere Gesichter, stolz, am helllichten Tag. Ihre haben sie unter Kapuzen versteckt – Sie sollen ruhig sehen, dass wir sie sehen, sollen ruhig wissen, dass wir sie kennen – Auf der Mauer steht,
Wir werden nicht für immer arm sein, aber ihr werdet für immer Scabs sein
– Tag 232 . Der schlimmste Tag bislang. Bei Weitem. Alle standen vor dem Fernseher wie unter Schock. Der ganze verdammte Welfare Club. Die Woche hat schon schlecht genug angefangen. Die Kraftwerksleute haben dagegen gestimmt, uns zu unterstützen. Zumindest jene, die man überhaupt zum Wählen gekriegt hat. Das ist das komplette Gegenteil von dem, was beim Kongress der Gewerkschaften erklärt worden ist. Den Rest der Woche standen wir wie üblich bei jedem Wetter und zu jeder Stunde auf Posten. Hier und in Brodsworth. Kiveton Park. Rossington. Yorkshire Main. Die Nachrichten sind wieder mal voll von den beiden verdammten Scabs in Manton. Und wir stehen wieder vor Gericht, man will uns um unser Geld bringen. Das wir der Gewerkschaft gegeben haben. Und nicht zwei verdammten Spitzeln wie denen da oder einer Marionette von Richter am verdammten High Court. Die meisten Kumpel stört das nicht weiter – ist doch nur Geld, sollen sie ruhig haben.
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