Gears of War - Aspho Fields
Hölle hast du es mir nicht gesagt?«, wollte Dom wissen.
Marcus lag auf seinem Bett, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte an die Decke. Es machte Dom wirklich rasend, wenn er ihm nicht in die Augen schauen konnte.
»Es hätte die Sichtweise verzerrt, aus der du ihn gesehen hast«, sagte Marcus schließlich.
»Hey, ich habe meinen Bruder geliebt, aber ich war auch nicht blind. Er konnte ein verrückter Bastard sein. Das wusste ich.«
»Er war ein Held. Er war ein Held vom ersten Augenblick an, als ich ihm begegnet bin. Er ist immer noch ein Held.«
Ja, das war er. Aber es ging hier nicht nur um Carlos. Es ging um Marcus. Es ging um die Wahrheit und die Frage, weshalb ein ansonsten von Grund auf ehrlicher Mann sich entschlossen hatte, zu lügen. Vorenthalten war auch Lügen. Dom musste alles über seinen Bruder wissen und jetzt, da es so weit war, fühlte er sich zerrissen und tief in seinem Innersten verzweifelt einsam und außerdem … befreit.
Trotz all dem frischen Schmerz, diesem abscheulichen kalten Gefühl tief in seinen Eingeweiden und dem eigenartigen Adrenalinkratzen in seinem Rachen, verspürte Dom Erleichterung. Carlos war ein Normalsterblicher. Dom hatte nicht darin versagt, ihm gerecht zu werden. Sie hatten beide ihr Bestes gegeben und an diesem einen Tag war Carlos’ Bestes einfach nicht gut genug gewesen. An jedem anderen Tag hätte es stattdessen Dom erwischt. Bei Aspho Point, in den sinkenden Marlins, hatte nicht mehr viel dazu gefehlt.
»Es ist einfach Kacke, nach so vielen Jahren herauszufinden, wie er gestorben ist, besonders wenn du es diese ganzen bekackten Jahre über gewusst hast.« Dom wollte nicht mit Marcus schimpfen. Er wollte nur sichergehen, dass sie alle ungesagten Dinge abfertigten, denn Dom wollte Emotionen im Tageslicht sehen und Marcus war dazu nicht in der Lage, ganz gleich, wie sehr er es versuchte. »Was glaubst du, wie ich mich jetzt fühle? Was hast du mir sonst noch verschwiegen?«
»Ich weiß, wie du dich fühlst.« Marcus setzte sich auf und schwang seine Füße auf den Boden. »Dad hat mir nie erzählt, was er über das Verschwinden meiner Mutter wusste, weißt du noch?«
Es war eines der schockierendsten Ereignisse in Doms Kindheit gewesen, ein echtes Rätsel. Er erinnerte sich an den Tag, an dem Marcus erfahren hatte, seine Mutter wäre verschwunden. »Hat er dich deswegen zu sich gerufen, als du deinen Posten verlassen hast?«
»Nein.«
»Ach, Scheiße, Marcus, spuck’s schon aus.«
Jetzt würde es hässlich werden. Dom hatte nicht vor, eine Art Wettstreit in Sachen Trauer vom Zaun brechen. Er musste sich ermahnen, dass Marcus sich nur erklären wollte, und versuchte, Dom zu beweisen, dass ihm sein Gefühl des Verlusts nicht egal war, dass er trotz seiner Schweigsamkeit und seines anscheinenden Mangels an Emotionen nach wie vor wusste, was hinter dem Schmerz steckte.
»Wir haben in den Locust-Tunnels nach Emulsions-Kristallen für den Ziellaser gesucht. Da haben wir Moms Leiche gefunden.«
»Er wusste, dass sie dorthin gegangen war? Scheiße.«
»Ja. Irgendwelche Feldforschungen in gesperrten Gebieten.«
»Warum?«
»Das werde ich nie erfahren.« Jeder andere hätte eine Fluchtirade von sich gegeben und die ganze Frustration und das Gefühl des Verrats hinausgeschrien, aber Marcus’ Stimme blieb ruhig und abgespannt wie immer. »Er hat mich in dem Glauben gelassen, sie hätte uns einfach verlassen.«
Dom hatte nie ein Problem damit gehabt, irgendwem alles Mögliche zu erzählen. Er konnte nicht fassen, dass Marcus auf all diesen schrecklichen Erinnerungen hocken blieb, die sein Freund doch erfahren musste, damit er ihn verstand.
»Hey … tut mir leid.«
»Ich bin derjenige, der dir deinen beschissenen Tag endgültig ruiniert, und du zerbrichst dir wegen meinen Problemen den Kopf. Mal wieder.«
»Schwachsinn«, sagte Dom. »Wenigstens weiß ich, weshalb du mir nicht von Carlos erzählt hast. Um mich zu schützen. Er hat dir gesagt, du sollst auf mich aufpassen, nicht wahr?«
Marcus nickte nur.
»Und das hast du immer getan.« Dom verpasste ihm einen spielerischen Schlag gegen die Brust. »Wenn du dazu bereit bist, will ich wissen, was im Knast passiert ist. Du hast dich nämlich verändert.«
Marcus knurrte. »Wir sind noch am Anfang«, meinte er. »Ich erzähl’s dir. Irgendwann.«
Damit war die Unterhaltung fürs Erste beendet. Dom hatte trotzdem noch das Bedürfnis, zu reden, also ging er Bernie suchen, die ohne
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