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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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schwarze Mütze geschoben und das Gesicht mit Holzkohle geschwärzt, genau wie er auch. Ihre Augen wirkten groß und wachsam. Sie besaß nun ihren eigenen Lederbeutel. Und ein Messer. Kleidung, die ihr passte. In diesem Moment fiel ihm auf, wie sehr sie sich verändert hatte. Er hatte sich gefragt, wie dieses Unternehmen hier mit ihr wohl verlaufen würde. Sie hätte seine Konzentration schwächen können. Natürlich hatte sie Angst, daran bestand kein Zweifel. Doch diesmal verhielt sie sich anders als während ihrer gemeinsamen Reise zu Marron: Sie hatte sich und ihre Nerven im Griff. Wenn er einatmete, konnte er die Stärke ihrer Selbstbeherrschung wahrnehmen.
    Die Mauern von Delphi verschwanden allmählich, während sie weiter den Berg hinaufkletterten. Dem Erscheinungsbild des Äthers und dem Brennen in Perrys Nase nach zu urteilen, blieb ihnen noch Zeit. Vielleicht eine weitere Stunde, bis die Spiralen ihre Trichterrüssel auf die Erde herabsenkten.
    Plötzlich legte Aria ihm eine Hand auf den Rücken und ließ ihn abrupt innehalten. Schweigend zeigte sie auf einen großen Baum, etwa vierzig Schritte von ihnen entfernt. Um den Stamm herum war der Erdboden mit verstreut liegenden frischen Zweigen übersät. Als er hinaufschaute, entdeckte er eine Gestalt, eingenistet in der Krümmung eines Astes. Der Mann trug ein Horn aus Elfenbein. Ein Signalgeber. Weiter oben erspähte Perry noch einen Mann. Zwei Wächter, die jeden Moment Alarm auslösen würden.
    Er wusste nicht, wie ihm die beiden hatten entgehen können. Noch weniger verstand er, wie es möglich war, dass Aria sie vor ihm entdeckt hatte. Die Männer sprachen leise miteinander, und Perry konnte nur Fetzen ihrer Unterhaltung auffangen. Er begegnete Arias Blick und richtete sich dann langsam auf, um einen Pfeil einzulegen. Den ersten Mann würde er nicht verfehlen, das wusste er. Die Herausforderung bestand darin, ihn geräuschlos zu töten: am besten so, dass der Mann dabei nicht vom Baum fiel.
    Perry legte an und holte ein paarmal tief Luft. Eigentlich sollte es nicht so schwierig sein: Der Mann saß schließlich nicht weit entfernt. Doch ein Schrei von ihm oder ein Ton aus seinem Horn, und sie hätten sämtliche Kräher auf den Fersen.
    In der Ferne heulte ein Wolf, der perfekte Lärmschutz. Perry straffte die beiden Finger, welche die Bogensehne hielten, und ließ den Pfeil von der Sehne. Er traf den Mann mitten durch den Hals und nagelte ihn an den Baumstamm. Das Horn glitt ihm vom Schoß, fiel jedoch nicht zu Boden. Stattdessen blieb es an einem Riemen um seinen Arm hängen und baumelte direkt unter dem Ast hin und her – ein bleicher, im Dunkeln schwebender Halbmond.
    Perry legte einen weiteren Pfeil ein, doch der andere Mann, mit Sicherheit ein Horcher, hatte das Geräusch wahrgenommen und rief nun verzweifelt nach seinem Freund. Als er keine Antwort erhielt, kletterte er flink wie ein Eichhörnchen den Baum hinab. Perry schoss einen weiteren Pfeil ab. Mit einem knarrenden Geräusch bohrte sich die Pfeilspitze in die Borke. Der Horcher huschte auf die andere Seite des dicken Stammes und entzog sich damit Perrys Sicht. Sofort ließ Perry den Bogen fallen, zückte sein Messer und lief los.
    Als der Horcher ihn erblickte, rannte er in Richtung eines dichten Gestrüpps. Er war schmächtig, besaß eher Arias Statur als Perrys, und schlängelte sich wieselflink durch das dichte Unterholz. Perry beschleunigte seine Schritte. Er stürmte durch die Zweige hindurch, hörte dabei, wie sie um ihn herum knickten und brachen. Panisch hetzte der Mann den Hügel hinab, doch Perry wusste, dass er ihm nicht entkommen würde. Er machte einen Satz nach vorn und überbrückte die letzten Schritte zu ihm in der Luft, bis er dem Horcher in den Rücken krachte.
    In dem Moment, als sie beide auf dem Boden auftrafen, richtete Perry sich ruckartig auf und schnitt dem Mann mit einer weit ausholenden Bewegung die Kehle durch. Der Körper unter ihm erschlaffte, während der schwere Geruch von warmem Blut Perry in die Nase stieg. Perry wischte seine Klinge am Hemd des Mannes ab und stand keuchend auf. Das Töten eines Menschen sollte eigentlich schwieriger sein als das Erlegen von Wild. Doch es fiel ihm nicht schwerer. Perry schaute auf das Messer in seiner zitternden Hand. Nur die Nachwirkungen waren andere.
    Ein Stechen tief in seiner Nase ließ ihn hochschauen. Der Äther hatte inzwischen die Form eines kolossalen Strudels angenommen. Der Sturm stand nun dicht bevor und würde

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