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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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Statur gut.
    »Das ist er nicht«, sagte Perry. »Das ist Gage.«
    »Ich bin hier, Perry«, drang in diesem Moment Roars leise Stimme zu ihnen.
    Sie fanden ihn an einem Baum sitzend, ein Bein ausgestreckt, einen Arm auf das andere Knie gestützt. Aria ging neben ihm in die Hocke.
    »Sie waren zu fünft. Mark haben sie sofort erwischt. Gage und ich konnten vier von ihnen erledigen. Er ist dem hinterher, der davongelaufen ist.«
    »Gage ist tot«, erklärte Perry.
    Unter Roars Bein glänzte eine Blutlache. Aria erkannte einen Riss in seiner dunklen Hose, etwa auf Höhe des Oberschenkels. Er hatte eine tiefe Fleischwunde. Aus ihr quoll ununterbrochen Blut, das im blauen Ätherlicht glitzerte. »Dein Bein, Roar.« Sie presste die Hände auf sein Bein, um den Strom des Blutes aufzuhalten.
    Roars Gesicht war schmerzverzerrt. Perry holte eine lederne Schnur aus Arias Umhängebeutel und band sie mit raschen, geschickten Bewegungen um die Wunde. »Ich werde dich tragen.«
    »Nein, Peregrine«, sagte Roar. »Ich kann sie hören. Die Kräher kommen.«
    Aria hörte es ebenfalls. Die Schellen läuteten. Die Kräher bewegten sich auf sie zu, jagten sie – der Sturm hatte sie nicht abschrecken können.
    »Dann bringen wir dich erst einmal zurück zu Marron«, sagte Perry.
    »Sie sind schon zu nahe. Das schaffen wir nicht mehr.«
    Aria lief es eiskalt über den Rücken. Sie starrte in die Bäume und stellte sich dabei vor, wie sechzig Kannibalen in schwarzen Umhängen auf sie zugestürmt kamen.
    Perry fluchte. Er reichte Aria seinen Lederbeutel, seinen Bogen und seinen Köcher. »Bleib dicht hinter mir.« Dann wuchtete er Roar hoch und legte sich dessen Arm über die Schulter, so wie er es bei Cinder getan hatte. Während ihnen die Schellen in den Ohren läuteten, rannten sie los, wobei Perry Roar halb trug. Aria stolperte den Hang hinab. Das Bimmeln der Schellen machte sie schier wahnsinnig.
    Perry sondierte mit scharfem Blick die Umgebung. »Aria!«, brüllte er und wandte sich einem Felsvorsprung zu. Dort legte er Roar ab und nahm ihr seinen Bogen und Köcher ab.
    Atemlos kauerte Aria sich hinter den Felsen, Schulter an Schulter mit Roar. Perry stand auf der anderen Seite und ließ einen Hagel an Pfeilen davonschnellen, einen nach dem anderen, ohne innezuhalten. Aus der Nacht drangen erschreckte Rufe. Kräher schleuderten ihre letzten Worte zum Himmel hinauf. Dennoch wurden die Schellen immer lauter.
    Aria schaute zu Perry, konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Sie hatte ihn schon einmal so erlebt, fast gelassen im Kampf auf Leben und Tod. Damals war er ein Fremder für sie gewesen, doch inzwischen war er Perry . Wie konnte er das nur tun?
    Mit einem leisen, überraschenden, dumpfen Geräusch landete sein Bogen auf den Kiefernnadeln zu ihren Füßen.
    »Es ist vorbei«, sagte er. »Ich habe keine Pfeile mehr.«

Peregrine   | Kapitel Fünfunddreißig
    Der faulige Gestank der Kräher drang Perry in die Nase. Die Schellen an ihren Gürteln glänzten im Ätherlicht. Sie bimmelten nur noch leise. Die Jagd war vorbei. Sie waren umzingelt.
    Wie auf ein Signal hin setzten die Kräher ihre Masken auf und klappten die Kapuzen ihrer schwarzen Umhänge hoch. Kurz darauf sah Perry nichts anderes mehr – nur noch Dutzende von schnabelförmigen Masken, die durch das Halbdunkel des Waldes zu schweben schienen. Aria stand mit gezücktem Messer neben ihm. Roar rappelte sich auf und lehnte sich gegen den Felsen hinter ihnen.
    Perry erkannte, dass die Kräher ihre eigenen Bogenschützen hatten: sechs Männer, die ihre Pfeile auf sie richteten. Keiner von ihnen stand weiter als zehn Meter entfernt. So also würde er nun sterben? Es wäre ein passender Tod. Wie viele Männer hatte er gerade mit seinen Pfeilen getötet?
    Ein stämmiger Mann trat vor. Seine Maske bestand nicht aus Knochen und Haut, sondern aus purem Silber. Sie glänzte und spiegelte das Licht des Äthers wider, während der Mann den Kopf hob und auf eine Art in den Wind drehte, die Perry gut kannte.
    »Knie nieder, auf den Boden, Kriegsherr!«
    Seine Stimme war tief und volltönend – einer Zeremonie würdig. In jeder anderen Situation hätte Perry es zu schätzen gewusst, dass dieser Mann ihn für einen Kriegsherrn hielt. Nun aber erkannte er die traurige Ironie in diesen Worten – dass er zum ersten und zugleich letzten Mal hörte, wie man ihn einen Kriegsherrn nannte.
    »Das werde ich nicht«, erwiderte Perry.
    Der Mann mit der silbernen Maske schwieg einen Augenblick.

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